Literaten, Pirincci und die Lust an der Inquisition

Toll, dass Pirinccis Bücher nicht mehr über die Buchvertriebskanäle vertrieben werden, so tönt es jetzt landauf, landab.

Und sie klatschen Beifall, all die Literaten, die vor einem Jahr Amazon noch vorgeworfen haben, es würde Bücher als „nicht lieferbar“ kennzeichnen, aus den Vorschlagslisten entfernen. Von Monopolen wurde damals geredet, dass Eigentum verpflichtet stehe schließlich im Grundgesetz.

Das ist lang her. Heute lieben sie die neoliberalen Ideen. Schließlich hat jede Firma das Recht, zu bestimmen, welche Bücher sie vertreibt und welche nicht. Selbst wenn sie eine Monopolstellung hat, ist das keine Ausnutzung der Monopolstellung. Und niemand muss Bücher vertreiben, die seinen Moralvorstellungen widersprechen.

So hat auch schon jener fundamentalistische Bäcker in den USA argumentiert, der für Homosexuelle keine Hochzeitstorten backen wollen. Erinnert ihr euch?

Margarete Stokowski geht im Spiegel sogar soweit, dass sie Amazon auffordert, alle mißliebigen Bücher, die rechte Inhalte enthalten, aus dem Programm zu nehmen.

Ja, Pirincci hat gehetzt und eine Rede, die die KZs herbeiwünscht oder anderen diesen Wunsch unterstellt, das geht gar nicht. Aber dafür sind in Deutschland Gerichte und Staatsanwälte zuständig, die ihn (hoffentlich) dafür verurteilen werden. In einem Rechtsstaat entscheiden Gerichte, was durch die Meinungsfreiheit gedeckt ist und was nicht. Und Gerichte entscheiden, welche Bücher nicht vertrieben werden dürfen oder verboten werden. Die Grenzen dafür sind – zum Glück – eng gezogen.

Doch das passt Vielen so gar nicht mehr.

Ich rede nicht von Verlagen, die die Pirinccis Bücher nicht mehr drucken wollen. Ich rede auch nicht von Zeitungen und Newsletter, die sich weigern, Anzeigen dieser Bücher anzunehmen. Das Recht hat natürlich jeder Verlag, jede Zeitung. Denn das ist ganz gewiss keine Zensur.

Aber ich rede von den Vertriebswegen. Wenn Amazon, Libri, Umbreit und die anderen Buchgroßhändler in einer konzertierten Aktion Bücher aus dem Programm streichen. Wir sind so stolz auf unser tolles Buchvertriebssystem, dass eine derartige Vielfalt an Büchern garantiert. Und jetzt klatscht man Beifall, fordert gar, diese einzuschränken? Denn wenn diese Vertriebskanäle gekappt werden, kommt das schon einer Zensur gleich. Auch die DDR unter Ulbricht hatte keine „richtige“ Zensur. Nur erhielten unliebsame Bücher keine Papierzuteilung. Weil es den Papierwerken nicht zumutbar war, solch moralisch fragwürdigen Werke mit Papier zu beliefern.

Wenn jemand der Meinung ist, Pirinccis Katzenkrimi oder seine anderen Bücher seien verfassungsfeindlich, soll er einen Verbotsantrag stellen. Aber nicht die Unterbindung des Vertriebs fordern.

Liebe empörte Autorinnen und Autoren, habt ihr euch mal überlegt, welchen Dampfer ihr jetzt betretet? Auf was ihr da hinsteuert?

Wenn der Vertrieb eines Katzenkrimis unterbunden werden soll, weil der Autor viel später angeblich KZs hat hochleben lassen, dann kann man auch so manches andere aus moralischen Erwägungen aus dem Vertrieb entfernen. Warum nicht die Heideggerbücher bannen? Der Autor war schließlich ein unsagbar furchtbarer Antisemit und hat die Nazis unterstützt. Oder Gottfried Benn, dessen Moral, dessen Loblieder auf den Krieg von den Vertriebsfirmen hoffentlich auch nicht geteilt werden? Mit dieser Buch-Sippenhaft lassen sich sehr viel dünnere Vertriebskataloge erstellen, da bin ich mir sicher.

Und Margarete Stokowski, Sie möchten, dass Amazon seine Buchlisten durchgeht und unliebsames rechtes Gedankengut entfernt? Haben Sie sich das gut überlegt? Welche Bücher werden dann wohl aus den Vertriebskanälen geworfen? Nichts gegen Firmenmanager, aber sind das wirklich die geeigneten Personen, das zu entscheiden?

Es ist eine große Errungenschaft, dass nicht mehr Hofschranzen und Priester entscheiden dürfen, was vertrieben werden darf und was nicht. Sondern ordentliche Gerichte, vor denen Staatsanwälte die Verbotsanträge begründen müssen.

Ich weiß, ich weiß, dass ist Gutmenschen-Theorie. Ich teile ihre Meinung nicht, aber ich würde mein Leben geben, dass sie sie äußern dürfen, das ist sowas von veraltet, belehrt uns Liane Bednarz im Rp-Online und alle klatschen Beifall. Und auch sie greift tief in die neoliberale Trickkiste, um zu begründen, dass Monopole tun und lassen dürfen, was sie möchten und niemand sollte ihnen dreinreden.

Good bye, Gutmenschentum, welcome Neoliberal, liebe Autorinnen und Autoren, ist das eure Meinung? Ich erinnere mich, dass wir vor einem Jahr eine Unterschriftenaktion gegen Amazon gestartet haben, weil das Unternehmen seine Monopolstellungen ausnutzte, um Bücher mit getürkten Lieferfristen zu versehen und Empfehlungslisten zu manipulieren. War ein Fehler, ich gebe es zu. Wenn demnächst Amazon Ullstein-Bücher ganz aus dem Programm nimmt, werden wir Beifall klatschen. Firmen dürfen das, dürfen ihr Monopol ausnutzen. Ist schließlich ihr Eigentum.

Rosa Luxemburg soll mal gesagt haben: „Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden“. Ja, ja, ich weiß, Luxemburg war eine Linksradikale, obendrein Kommunistin und überhaupt ist sie völlig out.

Ihr Hans Peter Roentgen

PS: Entgegen den Meldungen hat Amazon Pirinccis Werke weiterhin im Angebot. Sowohl die Katzenkrimis wie die rechten Politikwerke. Und natürlich jede Menge anderer Werke vom rechten Rand.

PPS: Wie ich jetzt gesehen habe, sind Pirinccis Werke jetzt doch von Amazon – zumindest teilweise – entfernt worden. Und ob Pirincci tatsächlich Kz herbeigewünscht hat oder dies nur anderen unterstellen wollte, darüber streiten sich jetzt die Gelehrten. Unsäglich war seine Rede auf jeden Fall.

PPPS: Da man den Satz mit den KZs aus dem Kontext heraus tatsächlich unterschiedlich interpretieren kann, habe ich diese Stelle geändert.


Spannung – der Unterleib der Literatur
Die hohe Kunst, den Leser zu fesseln und auf die Folter zu spannen
http://www.hanspeterroentgen.de/spannung-1.html

Literaten, Pirincci und die Lust an der Inquisition

9 Gedanken zu “Literaten, Pirincci und die Lust an der Inquisition

  1. Nachdem „Mein Kampf“ für dieselben Leute kein Problem darstellt, ist die Frage nicht unberechtigt. Wenn ich, als persönliche Entscheidung, etwas nicht drucken oder verkaufen will, dann ist das in Ordnung. Und ich darf mich auch öffentlich hinstellen und sagen „mit X arbeite ich nicht mehr zusammen“. Aber die tatsächliche Auseinandersetzung mit dem Thema wird nicht über das Verbieten (und Verbrennen) von Büchern geführt, denn dass sind die zu diesem Gedankengut passenden Methoden. Gerade Literaten sollten wissen, dass sich Ideen auf diese Art und Weise nicht aus der Welt schaffen lassen.

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      1. maennerstreik schreibt:

        Die Wortwahl war nicht korrekt vom Vorredner, aber Pirincci unterstellte eher Politik und Medien, dass sie sich KZs für unliebsame Meinungen wünschten. Die Medien haben mit ihrer infamen und verlogenen Hetze samt anschließenden Versuchen der Existenzvernichtung eigentlich nur belegt, dass er da nicht so falsch liegt wie die Empörten es gerne darstellten. Meinungsdiktatur war immer der Vorreiter von Verbrechen wie KZs und Gulags….

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  2. Ein sehr gutes und notwendiges Plädoyer gegen den aufziehenden Neobarbarismus. Wie immer denken die Barbaren, sie stünden auf der Seite der Guten. Es wird ein langer und steiniger Weg, ihnen das Gegenteil zu erklären.

    Als Individuum steht jedem zu, etwas zu boykottieren oder nicht. Als jemand, der den Markt beherrscht, ist das bereits sehr heikel. Und wenn man genau hinsieht, merkt man, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Aber gut, ich will keine Eulen nach Athen tragen, das kommt in dem Artikel bereits ausreichend zur Geltung.

    Eine sehr wichtige Richtigstellung muss jedoch erfolgen. Du hast geschrieben:

    „Ja, Pirincci hat gehetzt und eine Rede, die die KZs herbeiwünscht, das geht gar nicht.“

    Nein, eben das hat er gar nicht getan. Das war eine glatte und widerliche Medienlüge. In der Tat. Inzwischen werden gerade reihenweise Unterlassungserklärungen unterzeichnet und Gegendarstellungen veröffentlicht. Auch das ZDF ist betroffen.

    Ich würde auch dann diese Zensur verurteilen, wenn AP tatsächlich so etwas gesagt hätte, denn Meinungsfreiheit besteht nicht darin, dass man seine Meinung äußern kann, denn das kann man auch in Nordkorea oder Saudi-Arabien. Meinungsfreiheit ist, wenn man seine Meinung äußern kann, ohne die Schredderung der Existenz durch mächtige Instanzen befürchten zu müssen.

    Dass AP das also gar keine KZs herbeigewünscht hat und ihm lediglich aufgrund einer Medienlüge der Hahn abgedreht wird, macht die Sache doppelt grauenhaft.

    Und dreifach grauenhaft macht die Sache noch jener Umstand, dass die, die ihm Schlechtes wünschen, sich von der Richtigstellung der Fakten gar nicht beeindrucken lassen. Sie sagen wirklich und wahrhaftig: „Gut, dann hat er das nicht gesagt, aber das ist egal, er hat schon lange einen Denkzettel verdient. Recht so!“

    Der Wind hat sich gedreht, die Menschen finden Zensur und Bestrafung von Meinungen wieder hip. Ich bin so entsetzt, dass ich momentan stundenweise in Schockstarre verfalle. So mussten sich unsere Großeltern gefühlt haben, als die Nazis immer mehr Macht erlangten.

    Und eine weitere Richtigstellung muss noch erfolgen:

    „Entgegen den Meldungen hat Amazon Pirinccis Werke weiterhin im Angebot. Sowohl die Katzenkrimis wie die rechten Politikwerke.“

    Amazon.de hat Pirinccis Werke aus dem Angebot herausgenommen. Komplett. Felidae ist jetzt wieder drin, das hat irgendjemand über die Hintertür wieder hereingemogelt, erkennbar daran, dass es nicht mit Priniccis Original-Autorenseite verlinkt ist und nur eine Rezension hat, und die ist vom 26.10.2015.

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  3. Danke, habe gerade nachgesehen und die Pirincci Bücher sind bei Amazon jetzt am Sonntagabend tatsächlich verschwunden. Zumindest die meisten, die englische Ausgabe ist noch vorhanden und die DVD auch.

    Was den Satz mit den KZs angeht, der ist auf jeden Fall übel, selbst wenn er den Wunsch nach KZs nur anderen unterstellen sollte. Man kann diese Stelle unterschiedlich interpretieren, Pirinccis Rede zeichnet sich ja nicht gerade durch intellektuelle Klarheit aus. Ob tatsächlich Unterlassungserklärungen und wenn ja, wofür unterzeichnet wurden, wird sich noch zeigen. Bisher gibt es nur Behauptungen und natürlich die Aufforderungen von Pirinccis Anwalt. Gegendarstellungen wird es sicher geben, aber Gegendarstellungen kann jeder verlangen, der in den Medien dargestellt wurde.

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    1. Wenn er den Wunsch anderen unterstellt, ist das eigentlich kaum noch wirklich übel, wenn wir mal ganz ehrlich sind. Da sind wir im 21. Jahrhundert inzwischen ganz andere Töne gewohnt. Und vor gar nicht allzu langer Zeit forderte ein Satiriker tatsächlich, die KZs wieder zu öffnen, für „Rechte“. Größeres Aufsehen blieb ihm erspart.

      Das ZDF hat eine Unterlassungserklärung unterzeichnet.

      Kleinere Zeitungen, die das Falsche behauptet haben, drucken derzeit Richtigstellungen, keine Gegendarstellungen. Da war ich ungenau in der Formulierung.

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      1. Ob das ZDF wirklich eine Unterlassungserklärung unterzeichnet hat, ist zur Stunde (Montagmorgen) ungewiß. Ich habe zwar viele Behauptungen dazu gelesen, aber keine Beweise. Pirinccis Anwalt macht damit im Moment PR, da bin ich vorsichtig, was da stimmt.

        Von den Formulierungen, die unterlassen werden soll, findet sich sich schon gleich gar nichts. Dabei ist die genaue Formulierung hier extrem wichtig. Soll das ZDF es unterlassen, zu behaupten, Pirincci habe KZs für Flüchtlinge gefordert? Oder soll es unterlassen, seinen KZ Satz zu zitieren und daraus folgern, dass er sich für KZs einsetzt?

        Das sind schon sehr wichtige Unterschiede in den Behauptungen.

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    2. maennerstreik schreibt:

      Pirincci hat sich zu keinem Zeitpunkt für KZs eingesetzt. Den Eindruck haben die Medien aber erweckt. Warum sollte er auch? Erstens ist er selbst Migrant und zweitens eher freiheitlich gesonnen. Er hat schlicht Angst, dass alles noch restriktiver wird, weil sich andauernd jemand „offended“ fühlt und dann nach Zensur und / oder STaatsanwalt schreit, siehe diese SJW-Spackeria auf Twitter. Meinungsfreiheit heißt eben, dass man auch Meinungen anderer aushalten muss, wenn sie nicht der eigenen Meinung entsprechen.

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