„Wie geht’s dem Knie?“
„Frag was anderes.“
„Hej! Noch nicht besser? Dafür bist du doch in dieses Kur-Kaff gefahren!“ Susa klang nach aufrichtigem Mitleid. Klar, sie hatte Marina nach der Kreuzband-OP versorgt und wusste, wie ungeduldig sie die Heilung herbeisehnte.
Marina schaltete ihre Kopfhörer lauter, die Verbindung war schlecht. Sie ging wie jeden Tag an dem Schild “Rosel-Höhenweg” vorbei und blieb dann stehen. Von hier oben sah sie das Dorf liegen, die eine Straßenseite noch immer im Schatten des Hausberges, obwohl es schon später Vormittag war. Schafe weideten auf dem Hang unter den ökologisch beschnittenen Obstbäumen. Wo waren hier eigentlich die Kinder? Gab es überhaupt welche? Sie ging weiter. Weiter hinten fuhr ein Bauer auf seinem Traktor langsam den Hang entlang. Es sah ziemlich steil aus. Bauer Lohmann war der nette von den beiden Landwirten in Bad Rosel. Der andere, Kanterer, war ein ewig schlecht gelaunter Wichtigtuer, der die Landmaschinen mit Tempo 60 durchs Dorf peitschte und angeblich seine Kühe schlecht behandelte.
„Ich wollte meine Ruhe haben. Hier finde ich garantiert niemandem zum Reden.“
„Und was machst du den ganzen Tag?“ Susa unterdrückte ein Gähnen.
„Schlafen. Lesen. Spazierengehen, Physio. Im vegetarischen Dorfgasthaus essen.“
„Das hört sich doch gut an.“
„Findest du?“
Marina hatte die Stelle erreicht, von der aus sich der Blick Richtung Westen öffnete. Im Dunst war der Stuttgarter Fernsehturm zu ahnen. Auf dem Hang stand der Traktor. Lohmann war wohl abgestiegen. Sicher wollte er einen Zaun reparieren. Wanderer und Touristen durften auf keinen Fall Wege quer über Weiden finden, selbst wenn alles abgeweidet war und das Vieh längst im Stall. Da war ein Biobauer genauso stur wie alle seine Vorgänger.
„Und von Magnus habe ich gar nichts mehr gehört …“
Susa seufzte mitfühlend. „Der Blödmann. Es schien doch alles zu passen.“
Das Ende dieser Liebe machte Marina noch immer zu schaffen, oft hörte sie in der Erinnerung Magnus‘ liebevolle Stimme. Sie sah, wie der Traktor langsam auf die Seite kippte, aber sie war vollkommen beschäftigt damit, die richtigen Worte zu finden, um Magnus so zu charakterisieren, dass Susa sie verstand. Ein Donner grollte über das Tal hinweg. Marina sah zum Himmel, blau, weit hinten ein paar Haufenwolken.
„Weißt du, er war so … angenehm zuverlässig … “
„Das hört sich sehr aufregend an!“
Susas Spott konnte sie nicht vertragen. „Das verstehst du nicht!“
„Entschuldige, war blöd von mir. Doch, ich verstehe sehr gut, dass du einen soliden Mann suchst. Mit 27 steht das auf dem Programm. Schluss mit Abenteuer!“
Marina stand auf, um nach dem Traktor zu sehen.
Er lag auf der Seite, die Räder drehten sich. Wollte Lohmann etwas reparieren? Aber warum schaltete er dafür nicht den Motor aus?
Es wirkte wie Legospielzeug, nichts Wirkliches. Aber jetzt klang das Motorgeräusch trotz der Entfernung nicht mehr idyllisch.
Ein Aufheulen, dann ein lautes Krachen.
„Warte mal, da ist irgendwas passiert! Ich ruf dich später an!“
Marina rannte den Abhang hinunter, das Knie schmerzte höllisch. Sie riss sich die Kopfhörer herunter und drückte im Laufen 112.
Weit hinten auf dem Weg rannte ein Mann weg. Neben dem Traktor lag verkrümmt der Bauer, um ihn herum Metallteile des Traktors. Ein Splitter musste ihm das Bein aufgeschlitzt haben, Blut strömte aus dem Riss in der Hose, verteilte sich im Gras, färbte es. Marina beugte sich zu ihm und fühlte seinen Puls. War da etwas?
„Hallo? Von wo rufen sie an?“, knarrte es aus dem Handy.
„Ja, ich bin hier … auf der Wiese …“ Du blöder Angsthase, rügte Marina sich selbst. Sie hatte noch nie erste Hilfe geleistet. Jetzt erst einmal dem Notarzt sagen, wo er hinkommen soll.
„Bad Rosel. Oberhalb vom Ort ist eine Weide. Hier ist ein Traktor umgestürzt, ein Mann ist schwer verletzt.“
„Wir sind in 20 Minuten da.“
Lohmann bewegte sich und stöhnte. Er hatte Schmerzen, aber Marina drückte weiter die große Wunde an seinem Bein zu. In zwanzig Minuten verblutete er doch!
Ihr Handy brummte. Susa, die Medizinerin mit frischem Staatsexamen, dank dem Himmel! „Was ist denn los?“
Marina hielt sich nicht lange auf. „Was muss ich machen, damit er nicht verblutet??“
„Wo ist die Wunde?“
„Am Bein, aber ich sehe es nicht genau.“
„Hast du was, um die Hose aufzuschneiden?“
Lohmann versuchte etwas zu sagen. Marina gab den Versuch auf, seine zerfetzte Hose von der Wunde wegzubekommen. Sie kniete sich hin und neigte ihr Ohr zu seinem Mund.
„Ist .. weggelaufen ..“ flüsterte er.
„Ja, ich habe ihn gesehen! Wer war das?“
„Wollte … Karboni .. kriegt der nicht … – – – Es wird wärmer!“, rief er auf einmal aus. Dann verlor er das Bewusstsein.
Marina weinte vor Wut und Ohnmacht. Er starb, und sie konnte nichts tun.
Der Rettungswagen kam in Sicht, fuhr quer über die Wiese und hielt an.
„Er hat sehr viel Blut verloren.“
„Das ist der Sepp!“, rief der Rettungssanitäter dem anderen im Auto zu.
„Verdammt.“
Marina ging leicht humpelnd auf den Tisch zu, an dem Kommissar Rugenwald seinen vegetarischen Pfannkuchen aß.
„Ist hier noch frei?“
„Ja, ich gebe Ihnen ein Interview, aber nur drei Fragen.“
Marina hatte ihm gar nicht gesagt, dass sie für den “Stuttgarter Tag” schrieb. Sie kannte niemanden bei der Kriminalpolizei, ihr Ressort war Politik.
„Ich wollte eigentlich nur …“
„Schon in Ordnung. Ich mag Leute, die gut beobachten. Sie haben eine Eins-a-Aussage gemacht. Und hätten dem Bauer Lohmann das Leben gerettet – wenn das noch möglich gewesen wäre.“ Er seufzte. „So eine Sauerei. Das war ein Guter.“
„Waren Sie mit ihm befreundet?“
„Das behaupten jetzt alle von sich. Nein, er war einfach anständig. Ein Pfundskerl. — So, und jetzt Ihre Fragen. Ich muss gleich weg.“
„Kann es ein Unfall gewesen sein?“
„Die Spurensicherung untersucht den Traktor.“
„Und wenn es kein Unfall war – wer könnte dahinterstecken?“
„Wir haben einige Hinweise. Mit Nachbarn gab es alte Grenzstreitigkeiten und Neid auf seinen wirtschaftlichen Erfolg. — Was haben Sie denn gehört?“
„Bauer Lohmann war ein streitbarer Biobauer, das hat ihm im Dorf Feinde gemacht.“
Der Kommissar sah sie etwas spöttisch an. „Feinde? Gleich so dramatisch?“
„Also, was ich über den Genmais von Bauer Kanterer gehört habe …“
„Ja, stimmt, der musste den Anbau aufgeben. Wegen Lohmanns Bienen. Urteil vom Bundesverfassungsgericht.“
Sie sahen auf. Ein hochgewachsener Mann im Anzug stand an ihrem Tisch.
„Ja. bitte?“ Der Kommissar zog seine enorm beweglichen Augenbrauen hoch. „Kennen wir uns?“
„Nein, aber es wird höchste Zeit.“
„Davon bin ich überzeugt.“
„Franz Meinhardt. Ich habe das Projekt “Schwab‘ gegen rechts” ins Leben gerufen. Bei der letzten Gegendemonstration standen wir leider auf verschiedenen Seiten.“
Rugenwald stand auf, gab dem Mann mit dem zerknitterten Gesicht die Hand und bot ihm einen Stuhl an. „Sagen Sie bloß, bei Ihnen war Sepp Lohmann auch aktiv.“
„Er war einer unserer wertvollsten Unterstützer. Aber wir waren ja noch am Anfang“, Meinhardt seufzte. „Ich kann es noch gar nicht fassen.“
Lektorat
Marina ist wegen eines Kreuzbandrisses auf Kur und trauert ihrer Beziehung mit Magnus nach. Während sie mit ihrer Freundin telefoniert, stürzt ein Traktor um, ein Mann läuft weg, und sie rennt zur Unglücksstelle. Dort findet sie den schwerverletzten Bauern, kann ihm aber nicht helfen, und auch ihre Freundin, frischgebackene Medizinerin, kann ihr nichts raten. Der Mann stirbt, und die Kripo taucht auf.
Eine spannende Konstellation, aber trotzdem will Spannung nicht so recht aufkommen. Woran liegt das? Meiner Meinung nach am Aufbau der Szene. Es werden viele Einzelheiten am Anfang erzählt. Zu viele davon nebensächlich.
Szenen visualisieren
Was ist die Hauptsache? Für Marina der Kreuzbandriss, dass sie hier in der Reha Ruhe gefunden hat und dass sie Magnus nachtrauert. Wird sie in so einem Gespräch mit der Freundin auch nur einen Gedanken daran verschwenden, dass es zwei Bauern im Dorf gibt, wer die sind und was die tun? Wird sie die Namen der Bauern überhaupt kennen? Ich denke nicht. Und den Leser werden die Bauern auch erst dann interessieren, wenn das Unglück geschehen ist. Die Beziehung zu Magnus wird obendrein aus dem Blickwinkel des Autors geschildert, nicht aus dem von Marina.
Der Traktor wird für Marina erst dann wichtig werden, wenn das Unglück geschehen ist. Vorher wird sie ihn bestenfalls aus den Augenwinkeln kurz wahrnehmen. Vielleicht kurz etwas Verdächtiges, eine Vorausdeutung für den Leser. Aber keine ausführlichen Erklärungen. Schlüpfen Sie in Ihre Figuren. Was ist denen wichtig? Nur das zählt am Anfang. Hier einmal ein Versuch:
„Wie geht’s dem Knie?“
„Frag was anderes.“
„Hej! Noch nicht besser? Dafür bist du doch in dieses Kur-Kaff gefahren!“ Marina schaltete ihre Kopfhörer lauter, die Verbindung war schlecht. Susa hatte Marina nach der Kreuzband-OP versorgt und wusste, wie ungeduldig sie die Heilung herbeisehnte.
An dem Schild „Rosel-Höhenweg“ blieb sie stehen und schaute auf das Dorf unter ihr. Die Straße lag noch immer im Schatten des Hausberges, obwohl es schon später Vormittag war. Schafe weideten auf dem Hang unter den ökologisch beschnittenen Obstbäumen. Weiter hinten fuhr ein Bauer auf seinem Traktor langsam den Hang entlang.
„Ich will meine Ruhe haben. Hier finde ich garantiert niemandem zum Reden“, sagte sie.
„Und was machst du den ganzen Tag?“
„Schlafen. Lesen. Spazierengehen, Physio. Im vegetarischen Dorfgasthaus essen.“ Langsam ging sie weiter.
„Das hört sich doch gut an.“
„Findest du?“
Marina erreichte die Stelle, von der aus sich der Blick Richtung Westen öffnete. Im Dunst war der Stuttgarter Fernsehturm zu erahnen. Auf dem Hang stand der Traktor.
„Und von Magnus habe ich gar nichts mehr gehört …“, sagte sie.
„Der Blödmann. Es schien doch alles zu passen.“
„Weißt du, er war so … angenehm zuverlässig … “
„Das hört sich sehr aufregend an!“
»Manchmal höre …«
Der Traktor kippte am Hang langsam auf die Seite. Donner grollte über das Tal hinweg. Marina sah zum Himmel, blau, weit hinten ein paar Haufenwolken.
Was habe ich hier getan? Ich habe die Erklärungen des Autors gestrichen. Den Dialog gekürzt, damit das Wesentliche herauskommt. Und nur das berichtet, was Marina in dieser Szene wirklich denken und bemerken würde.
Ob der Bauer einen Zaun repariert oder warum der Traktor stehen bleibt, wird sie eher weniger interessieren. Wenn er umstürzt, sieht das natürlich anders aus.
Wie geht es weiter? Der Traktor sieht aus wie ein Legospielzeug. Das heißt aber, dass er weit entfernt ist, dass Marina also gar nicht schnell hinlaufen kann. Lassen wir darum den Traktor in der Nähe stehen, unten am Hang. Die Räder drehen sich, der Motor kracht, jemand läuft weg. Vielleicht hört sie einen Schrei? Jedenfalls will sie nachsehen, was passiert ist.
Was sieht sie sonst noch? Kann sie den Verletzten sehen, oder wird er vom Traktor verdeckt? Jedenfalls ist klar, dass hier niemand den Traktor reparieren will, wer würde mitten am Hang einen Traktor umwerfen? Ich weiß natürlich nicht genau, wie die Szene vom Autor geplant worden ist, aber ich mache mal einen Versuch, wie es sein könnte.
Der Traktor lag auf der Seite, die Räder drehten sich. Das Motorgeräusch klang seltsam. Dann heulte der Motor auf, ein lautes Krachen.
„Warte mal, da ist irgendwas passiert!«, rief Marina ins Telefon. »Ich ruf dich später an!“
Sie rannte den Abhang hinunter, das Knie schmerzte höllisch. Die Kopfhörer riss sie sich herunter und drückte im Laufen 112.
Hinter dem Traktor sprang ein Mann auf und rannte weg. Ein anderer Mann lag neben dem Traktor verkrümmt am Bogen. Um ihn herum Metallteile. Die Hose war zerrissen, war das Blut?
Mittlerweile ist einige Zeit vergangen, also sollte sich die Rettung melden, die Marina antelefoniert hat:
„Hallo?“ knarrte es aus dem Handy.
„Ja, ein Unfall. Ich bin hier … auf der Wiese …“, stotterte Marina aufgeregt ins Handy.
»Nur mit der Ruhe. Wo sind Sie genau?«
„Bad Rosel. Oberhalb vom Ort ist eine Weide. Hier ist ein Traktor umgestürzt, ein Mann ist verletzt.“
„Wir sind in 20 Minuten da.“
Recherche
Dann erreicht sie den Mann. Wie sieht er aus? Kann sie die Wunde sehen, oder ist sie unter der Hose verborgen? Der Text widerspricht sich da. Einmal drückt sie auf die große Wunde, kann sie also sehen.
Und was würden Sie in solch einem Fall tun? Wenn Sie eine Freundin haben, die Medizinerin ist? Natürlich diese anrufen.
Was würde die Freundin sagen? Sie würde nach der Wunde fragen. Ihr empfehlen, die Hose zu öffnen. Aber sie würde nicht auflegen, wenn das nicht geht. Vielleicht der Freundin empfehlen, das Bein abzubinden? Ich bin keine Mediziner. Die meisten Autoren auch nicht. In solchen Fällen muss man recherchieren, einen Mediziner fragen, was er empfehlen würde, wenn ihn ein Freund anruft, der einen Schwerverletzten vor sich hat und wissen will, wie er die Blutung stoppen soll.
Zeitsprünge
Dann kommt der Rettungswagen. Und die Geschichte macht einen Zeitsprung. Weder wird erzählt, was die Sanitäter tun, noch, wie die Kripo auftaucht. Und auch Marina wird vernommen, ohne dass uns der Autor darüber etwas erzählt.
Man muss nicht alles erzählen. Natürlich können Zeitsprünge spannend sein. Andeutungen, die sich der Leser ausmalen kann, steigern die Spannung.
In der Geschichte gibt es aber ein Problem. Denn die Szenen, die spannend sein könnten, werden ausgelassen. Dafür erzählt sie ein Interview mit dem Kripo-Beamten, das nur Infos vermittelt.
Würde Marina nicht gleich bei der Vernehmung versuchen, möglichst viele Informationen zu erhalten? Und der Kommissar will ihr nichts Genaues sagen oder weiß selbst noch gar nicht, was wirklich passiert ist?
Ach ja, wieso gibt er ihr ein Interview, wenn er noch gar nicht weiß, dass sie Journalistin ist?
Konflikt
Um Spannung zu erzeugen, benötigt man Konflikt. Das ist eine Banalität, schon Shakespeare wusste das und alle Theater- und Filmleute nach ihm auch.
Haben wir hier einen Konflikt? Wir haben eine Journalistin, die Augenzeugin eines Unfalls oder eines Verbrechens wurde. Einen Kommissar, der das untersucht. Die Journalistin will möglichst viele Informationen möglichst schnell erhalten. Der Kommissar will nicht alles preisgeben und schon gar nicht voreilige Schlüsse ziehen. Dann taucht auch noch Meinhardt auf, der bei Demos auf der anderen Seite stand. Der Kommissar bietet ihm einen Stuhl an. Marina, der Kommissar und Meinhardt tauschen freundlich Informationen aus. Ein Konflikt ist nicht in Sicht.
Wie könnte der Kommissar auf Meinhardts Satz reagieren? Vielleicht so:
„Franz Meinhardt. Ich habe das Projekt „Schwab‘ gegen rechts“ ins Leben gerufen. Bei der letzten Demonstration standen wir auf verschiedenen Seiten.“
»Ich bin Kriminalpolizist.« Der Kommissar zog seine Augenbrauen hoch und bot Meinhardt keinen Sitz an.
»Na und?«
»Ich befasse mich nicht mit Demonstrationen, dafür ist die Schutzpolizei zuständig.«
»Aber sie schützen die Politik.«
»Das ist Sache des Staatsschutzes. Ich untersuche, ob hier ein Verbrechen vorliegt oder ein Unfall.«
»Ein Unfall? Glauben Sie an den Weihnachtsmann? Kanterer und die Genbauern haben ihn gehasst. Wenn das kein Mord war …«
»Könnten Sie bitte die Untersuchung uns überlassen? Wir sind die Fachleute für so was. Und außerdem vernehme ich gerade Frau X. Würden Sie also freundlicherweise zurücktreten und mich nicht bei der Arbeit stören?«
Natürlich ist das jetzt meine Szene. Die des Autors kann ganz anders ablaufen. Aber ein Dialog, in dem sich alle bestätigen, dass der Tote ein Pfundskerl war und viele Feinde hatte, ist keine gute Idee. Da werden nur Infos ausgetauscht, wird Smalltalk betrieben. Smalltalk und Informationsvermittlung ohne Konflikt sind aber der Tod jeder Spannung.
In die Figuren gehen
Wenn die Geschichte nicht spannend ist, der Kern aber einen guten Konflikt, eine gute Idee beinhaltet, muss man neu schreiben. Dann empfiehlt es sich, dass der Autor sich in seine Figuren verwandelt und die Szene aus ihren Augen sieht, die Figuren so handeln lässt, wie sie handeln würden. Und den Leser nicht mit Erklärungen langweilt, sondern ihn die Ereignisse aus der Handlung begreifen lassen.
Jeder der Figuren hat eigene Ziele. Und die sind in der Regel nicht gleich. Eine Journalistin hat andere Ziele als ein Kommissar und der andere als ein politischer Aktivist, der gegen Genmais kämpft. Nutzen Sie das, das ist der Stoff, aus dem Konflikte und damit Spannung erwachsen.
Heißt das, dass Kommissar und Meinhardt im ganzen Buch so harsch aufeinander reagieren müssen wie in meiner Szene?
Nein. Ganz im Gegenteil. Es ist immer eine gute Idee, dass sich zwei Figuren in die Wolle geraten – und später müssen sie dann zusammenarbeiten und lernen, sich gegenseitig zu schätzen. Vielleicht sind Marina, der Kommissar und Meinhardt die, die später den Mord aufklären. Gegen alle Widerstände von Politik und Wirtschaft.
Auf jeden Fall sollten nicht alle gleicher Meinung sein und sich ihre gleiche Meinung im Dialog gegenseitig bestätigen. Smalltalk ist in der Realität wichtig. Im Krimi ist er tödlich.
Wenn Ihr anderer Meinung seid oder etwas zu diesem Beispiellektorat beitragen wollen, scheut Euch nicht, es mir zu mailen oder in FB zu kommentieren! Ihr könnt auch eure Texte für ein solches Beispiellektorat vorschlagen.
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Spannung – der Unterleib der Literatur
Die hohe Kunst, den Leser zu fesseln und auf die Folter zu spannen
http://www.hanspeterroentgen.de/spannung-1/