Was dem Lektorat auffällt: Stil

Sternknipser

(C) Klaus Scharfenstein

Fades, ungutes Herbstmorgenlicht. Sie hockt regungslos auf der Couch, noch im Schlafoutfit, das Gesicht dem Fenster zugewandt. Sie hat mich bemerkt, ein Gruß ist nicht angebracht. Im Profil sieht sie älter aus, härter. Trotz ihrer wirren, märchenhaften Rapunzelsträhnen, überall und nirgends. Der Kontrast will mir Feuchte in die Augen treiben. Es ist ein zweiter Abnabelungsprozess im Gange, zwischen ihr und mir, ein endgültiger, bin ich mir plötzlich gewiss. Leo?

Was denn, mein Sonnenstrahl?

Stimmt was nicht?

Also – nein, alles in Ord…

Ich hab’ so seltsam geträumt, sooo seltsam!“, unterbricht sie mich, mit jammernder Stimme, noch immer das Fenster im Blick. “Ich habe von der Hütte in Tansania geträumt.

Die Hütte in Tansania ist familiäres Kulturgut. Auf Maras bereits frühkindliche Neugier, die Bedeutung ihres Vornamens betreffend, haben wir mit im Verlauf der Jahre allmählich zunehmender Offenheit reagiert. So hat sie seit ihrem vierzehnten Lebensjahr also nicht nur Kenntnis davon, dass es der gleichnamige Fluss in Ostafrika ist, nach dem wir sie benannt haben, sondern weiß außerdem von ihrer Eltern sentimentalen, aber festen Überzeugung, dass es eine rustikal-romantische Strandhütte am Indischen Ozean in Tansania war, damals, in der zwei hellauf entbrannte Turteltäubchen alles in ihrer Macht Stehende dazu in die Wege leiteten, jemanden namens Mara in die Welt zu setzen. Und spannende Details zum Ambiente, wie die aus Treibholz gezimmerte Möblierung und das Palmenblätterdach, wurden immer wieder aufgetischt, in der Regel von mir. Bei passenden Gelegenheiten wurde dieses Szenario peu à peu um weitere Einzelheiten komplettiert, so dass spätestens die 16-jährige Mara sich – falls sie es nur wollte – eine recht lebendige Vorstellung davon machen konnte, mit welchem Enthusiasmus ihre Mutter und ich damals bei der Sache gewesen sein müssen.

Es war so – plastisch! Ich konnte euch nicht sehen, aber ich wusste, ihr seid da! Ich war ja auch da – so, wie das Dach oder die Wände, irgendwie … Oder der Wind, der vom Meer durch die offenen Fenster ging. Ich war da, Leo, und ihr wart gerade dabei, mich zu zeugen, obwohl es mich schon gab … Alles in dem Moment war so intensiv, die Realität! Ich roch das Meersalz in der Luft, spürte ihre tropische Wärme, ihre Wildheit. Und ich hörte, ich schwöre es, wie von draußen aufmunternde, rhythmisch-anfeuernde Rufe hereinwehten, voller dunkler Intensität und auch lakonischer Geschäftsmäßigkeit. Und – leichte Erdbeben … Wie kann das sein, Papa? Was ist los?!

Mara …!“ Mir ist sofort klar, von welchen Rufen sie spricht. Rufe, von denen sie nichts wissen kann. Von denen ich niemandem jemals erzählt habe, da sie mir bis eben nicht einmal selbst mehr präsent gewesen sind. Und von denen Mara auch nicht durch ihre Mutter erfahren haben konnte.

Es ist ein Trupp von umherziehenden Kokosnusspflückern gewesen, die an jenem Nachmittag auf dem Gelände zugange waren. Wildromantisch-abgerissene Hasardeurnaturen, die in haarsträubender Art und Weise die nackten Stämme der Palmen emporenterten, um, oben angekommen, die reifen unter den dort versammelten Kokosnüssen abzuhacken und herunterfallen zu lassen. Mit lauten und schon als Folge der irrwitzigen Vierter-Stock-Höhe gespenstisch klingenden Rufen wurden dann jeweils die Anzahl der Nüsse und der Name des Pflückers nach unten posaunt, was ein dort stehender Kollege geduldig notierte, nachdem die kiloschweren Früchte mit tatsächlich körperlich spürbarem Wumms auf dem Boden aufgeschlagen waren.

Und sie – träumt davon? Es kann nicht sein, kann einfach nicht sein …

Ihr habt mich an dem Nachmittag gezeugt, aber ich war schon da. Es wart nicht nur ihr beide. Ich war schon dabei.

Wo ist überhaupt …?“Er – ist in mein Zimmer gekommen. Er …

Na, das ist ja hübsch. Bist du verrückt geworden, Mara?

Lass mich reden, Papa!

Bist du etwa verrückt geworden?! Bist du jetzt endgül–„

Ich presse mir die Hand auf den Mund. Die Worte wollen eine Spirale bilden, um die Frage immer und immer wieder aufs Neue zu formen, ohne Ende. Bleiernes Verkrampfen kriecht im Hals hoch, die Gurgel hindurch, nistet sich lähmend im Unterkiefer ein. Ich sitze – weiß nicht, wie. Halte mir das Maul, mit beiden Händen.

Du musst mich jetzt reden lassen. Geht es?

Ich starre sie an. Ihr Redeansinnen ist ihr wichtiger als die Sorge um mein Wohl. Rede.

Ich werde jetzt gleich aufbrechen, Papa. Ich muss gehen, das ist notwendig – für alle.“ Sie steht auf. Ich darf nicht aufgehalten werden. Alexander – er wollte mir in der Nacht zu nahe kommen, und das konnte ich nicht zulassen! Musste ihn … stoppen.

Was soll das?! Wo ist er jetzt, Mara?!“ Ich will es nicht wahrhaben.

Er ist da drin. Es ist vorbei. Geh nicht rein, Leo! Ich bitte dich …

Sie ist meine Tochter. Sie ist mein Ein und Alles, seit ihre Mutter nicht mehr bei uns ist. Sie ist nichts anderes als das Licht meines Lebens, und ich würde mich für sie in kleine Portionen zerhacken lassen – falls es einmal unumstößlich feststehen sollte, dass ganz genau davon ihre weiter andauernde Unversehrtheit und meine Seelenruhe abhingen. Ich würde sie bis zum letzten Blutstropfen verteidigen, jederzeit.

Wenn dieser verklemmte, gestörte, abartige Versager von einem Kerl versucht, meine Tochter zu vergewaltigen, in ihrer Wohnung, als ihr Gast und quasi unter meinen Augen, dann bedeutet das seinen Tod, so weit ich das auch nur irgendwie bewerkstelligen kann.

Mara hat mich davor bewahrt. Ein letzter, ultimativer Liebesbeweis. Ich werde sie verlieren, falls ich sie jemals gehabt habe.

Lektorat

Das ist der erste Beitrag zur Kolumne „Was dem Lektorat auffällt“. Deshalb möchte ich etwas dazu sagen, wie ich und viele Kolleginnen und Kollegen vorgehen.

Ein Text soll wirken. Im Leser Bilder wecken, einen Film ablaufen lassen. Deshalb lese ich zuerst den Text und lasse ihn auf mich wirken. Wie ein normaler Leser.

Am besten dann erst mal drüber schlafen. Repetieren, ob er mich packen konnte. Ihn nochmals lesen, und jetzt darf mein Rot-Stift-Ich, mein innerer Kritiker die Kontrolle übernehmen. Hakt der Text? Können Plot und Figuren überzeugen? Falls ja, wie sieht es mit dem Stil aus, der Erzählstimme?

Plot und Figuren

Plot und Figuren sind das Wichtigste. Wenn die nicht packen, hilft eine stilistische Überarbeitung auch nichts. Dazu muss ich nur die Geschichte analysieren, also alle Schwächen der Geschichte vergessen, die aus stilistischen Problemen resultieren. Manche Texte haben einen tollen Plot, aber mir rollen sich die Zehennägel auf, weil sie so dilettantisch geschrieben sind. Es gibt Autoren, die haben ein tolles Gefühl für Dramaturgie, aber ihr Sprachgefühl lässt zu wünschen übrig.

Dazu muss ich erst mal den Plot extrahieren. Im obigen Fall: Ein Vater mit seiner Tochter, die davor steht, sich vom Vater zu lösen. Und sie träumt von dem Tag ihrer Zeugung, erwähnt Details, die sie gar nicht wissen kann. Obendrein ist sie von einem Mann belästigt worden.

Konflikt ist also zu Genüge vorhanden und auch offene Fragen, die zum Weiterlesen reizen. Die dem Leser sagen, welche Sorte Buch es ist und worum es geht. Es spielt in der heutigen Zeit, ist also keine Fantasy, aber enthält phantastische Elemente.

An der Geschichte selbst, dem Plot und den beiden Figuren habe ich nichts zu mäkeln.

Stil und Erzählstimme

Wie sieht es mit dem Stil und der Erzählstimme aus? Ein Ich-Erzähler erzählt, seine Stimme ist konsistent, hat Eigenheiten, aber manchmal sind diese übertrieben.

Der Text verwendet viele Adjektive. „Wenn Sie ein Adjektiv treffen, bringen Sie es um“, hat uns Mark Twain empfohlen. Aber er war ja nicht dumm und hat die Empfehlung relativiert: Adjektive im Übermaß schwächen sich gegenseitig. Die Dosis macht das Gift.

In einem Text wie diesem dürfen es auch mal mehr Adjektive sein als in einem Actionthriller oder einem Hardboiled-Krimi. Wenn Sie wissen wollen, welche Adjektive ihr Text benötigt, machen Sie eine einfache Übung, die die Bestseller-Autorin LeGuin empfohlen hat.

Übung

Kopieren Sie sich den Text in eine Datei. Dann drucken Sie ihn aus. Als Nächstes streichen Sie alle Adjektive (ja, alle!) und drucken auch diesen Text aus.

Legen Sie beide Texte nebeneinander und vergleichen Sie sie. Meist sehen Sie schnell, welche Adjektive Sie brauchen und welche das Tempo und die Stimmung behindern.

Partizipien – die heimlichen Adjektive

Vermutlich sind Ihnen gar nicht so viele Adjektive aufgefallen? Mir auch nicht. Der Eindruck, dass es zu viele Adjektive sind, entsteht durch die Partizipien. Das sind Verbformen, die keine Handlung mehr ausdrücken, sondern die Funktion von Adjektiven übernommen haben.

Mit lauten und schon als Folge der irrwitzigen Vierter-Stock-Höhe gespenstisch klingenden Rufen wurden dann jeweils die Anzahl der Nüsse und der Name des Pflückers nach unten posaunt, was ein dort stehender Kollege geduldig notierte, nachdem die kiloschweren Früchte mit tatsächlich körperlich spürbarem Wumms auf dem Boden aufgeschlagen waren.

Da ist der „tatsächlich körperlich spürbare Wumms“. Ein Wumms ist ein umgangssprachliches Wort, das bereits einen heftigen Stoß impliziert. Der „spürbare Wumms“ würde reichen. Und dass der Kollege, der die Anzahl der Nüsse notiert, irgendwo dort unten steht, versteht sich von selbst. Sonst könnte er sie nicht notieren. Auch die „lauten und schon als Folge der irrwitzigen Vierter-Stock-Höhe gespenstisch klingenden Rufe“ haben viele in Partizipien eingepackte Informationen, die selbstverständlich sind.

Insgesamt finden sich elf Wörter zwischen dem „mit“ und den zugehörigen „Rufen“. Das macht es nicht gerade übersichtlich und lässt sich entschlacken: „Mit lauten und wegen der Höhe gespenstisch klingenden Rufen“, das wirkt klarer und verständlicher. „Irrwitzig“ und „gespenstisch“ sagen ziemlich das Gleiche. Bei zwei ähnlichen Adjektiven können Sie das weniger eindrückliche streichen und dem anderen dadurch zu mehr Wirkung verhelfen.

Partizipien sind Beamtendeutsch

Wie wirken im Deutschen Partizipien? Wer verwendet sie gerne?

Jeder, der bereits Amtsschreiben erhalten hat – also jeder – weiß, dass es da von Passivkonstruktionen mit Partizipien wimmelt und dass Verben in Substantive oder Partizipien verwandelt werden. Da ordnet niemand an, da „wird angeordnet“. „Bitte betreten Sie nicht den Rasen“ heißt: „Das Betreten des Rasens ist den nicht befugten Mitbürgern unter Strafandrohung untersagt.“

Wenn Sie diese Wirkung nicht erzielen wollen, prüfen Sie besser, ob Sie Ihre Partizipien nicht in aktive Verbformen verwandeln oder streichen können.

Manchmal wirkt umständliche Sprache

Texte sind keine mathematischen Formeln, es gibt kein Richtig oder Falsch. Aber es gibt wirkungsvollere Formulierungen und solche, die weniger wirkungsvoller sind. Die Dosis macht das Gift.

Adjektive und Partizipien, lange, komplexe Satzkonstruktionen bremsen das Tempo, wirken distanzierter. Im Thriller wirkt das nicht, in historischen Romanen oder Fantasy kann es wirken. Wenn es nicht übertrieben wird.

Manchmal wirkt es auch wie ein Augenzwinkern. Der Erzähler drückt damit aus, dass er selbst eine Distanz zum Text hat.

Die Aufgabe eines Lektors ist es dann, zu entscheiden, was angemessen ist und was zu viel. Schnell kommt man in solchen Fällen in den Bereich persönlichen Geschmacks, das darf man nie vergessen.

In obigem Falle würde ich nicht alle Partizipien streichen. Aber die Anzahl zurückschneiden.

Der Anfang

Ein wesentlicher Punkt ist der Anfang. Würde die Geschichte besser wirken, wenn sie mit einem anderen Absatz anfangen würde? Könnte man den ersten oder die ersten Absätze streichen?

Den ersten Absatz des Textes kann man auf jeden Fall streichen. Er macht nicht neugierig, setzt keinen Eingang zur Geschichte. Und der zweite?

Im Profil sieht sie älter aus, härter. Trotz ihrer wirren, märchenhaften Rapunzelsträhnen, überall und nirgends. Der Kontrast will mir Feuchte in die Augen treiben. Es ist ein zweiter Abnabelungsprozess im Gange, zwischen ihr und mir, ein endgültiger, bin ich mir plötzlich gewiss.

Der erste und der zweite Satz geben uns eine Vorstellung von der Frau. Der dritte und der vierte behaupten allgemeine Dinge über sie, haben aber keinen Anker. Die ersten beiden Sätze könnte man entweder direkt als Einstieg verwenden – am besten mit dem Namen – oder in den Dialog einfügen.

Überflüssiges streichen

Ich habe bereits angemerkt, dass der Text viele Partizipien enthält und diese mit zu vielen Details überladen sind.

So hat sie seit ihrem vierzehnten Lebensjahr also nicht nur Kenntnis davon, dass es der gleichnamige Fluss in Ostafrika ist, nach dem wir sie benannt haben, sondern weiß außerdem von ihrer Eltern sentimentalen, aber festen Überzeugung, dass es eine rustikal-romantische Strandhütte am Indischen Ozean in Tansania war, damals, in der zwei hellauf entbrannte Turteltäubchen alles in ihrer Macht Stehende dazu in die Wege leiteten, jemanden namens Mara in die Welt zu setzen.

Das ist ein ziemlich langer und umständlicher Satz, den man zweimal lesen muss. Sie „hat Kenntnis davon“, „alles in ihrer Macht Stehende dazu in die Wege leiteten“, das passt zwar zum Stil der Geschichte. Aber es ist in dieser geballten Form einfach zu viel. Das könnte man etwas zurückschneiden:

So weiß sie seit ihrem vierzehnten Lebensjahr, dass es ein Fluss in Ostafrika ist, nach dem wir sie benannt haben, und weiß auch von ihrer Eltern sentimentalen, aber festen Überzeugung, dass es eine rustikal-romantische Strandhütte am Indischen Ozean in Tansania war, damals, in der zwei hellauf entbrannte Turteltäubchen alles in die Wege leiteten, jemanden namens Mara in die Welt zu setzen.

Jetzt habe ich den Stil beibehalten, aber den Satz entschlackt. Er ist immer noch lang, komplex aufgebaut, mit einigen ausführlichen Wendungen, aber leichter lesbar. Und folgt dem Stil des Autors.

Man könnte den Satz auch teilen. Punkte sind ein gutes Mittel, wenn Sätze aus dem Ruder laufen.

So weiß sie seit ihrem vierzehnten Lebensjahr, dass es der gleichnamige Fluss in Ostafrika ist, nach dem wir sie benannt haben. Und weiß außerdem von ihrer Eltern sentimentalen, aber festen Überzeugung, dass es eine rustikal-romantische Strandhütte am Indischen Ozean war, in der zwei hellauf entbrannte Turteltäubchen alles taten, um jemanden namens Mara in die Welt zu setzen.

Diese Fassung verändert den Stil des Textes, nicht viel, aber doch wahrnehmbar. Welche Fassung wäre besser? Welche gefällt Ihnen besser?

Mit würde die kürzere mit zwei Sätzen statt einem besser gefallen. Dass sich in jedem Satz das Verb „wissen“ wiederholt, wäre nicht kritisch, denn genau darum geht es. Da wäre die Wiederholung eine Betonung.

Die spannende Frage ist aber: Was gefällt dem Autor? Es ist sein Text, sein Name steht drunter, er muss dafür einstehen. Er will der Welt etwas erzählen. Der Lektor soll seinen Text besser machen, aber nicht einen anderen Text daraus stricken.

Schreiben hat keine Verkehrsregeln. Es gibt unterschiedliche Geschmäcker. In solchen Fällen müssen Lektor und Autorin miteinander sprechen. Die letzte Entscheidung trifft die Autorin.

Dialogeinschübe

Lesen Sie den folgenden Teil aus dem Dialog:

„Bist du etwa verrückt geworden?! Bist du jetzt endgül– “‚

Ich presse mir die Hand auf den Mund. Die Worte wollen eine Spirale bilden, um die Frage immer und immer wieder aufs Neue zu formen, ohne Ende. Bleiernes Verkrampfen kriecht im Hals hoch, die Gurgel hindurch, nistet sich lähmend im Unterkiefer ein.

Ich sitze – weiß nicht, wie. Halte mir das Maul, mit beiden Händen.

„Du musst mich jetzt reden lassen. Geht es?“

Hier wird in den Dialog etwas eingeschoben. Dass der Ich-Erzähler sagen will: „Bist du verrückt geworden, endgült …“. Doch dann stoppt er und hält sich den Mund zu.

So weit, so gut. Aber was ist mit den Worten, die eine Spirale bilden wollen, das bleierne Verkrampfen?

Das sind Bilder, die verunglückt wirken, weil der Leser sich erst mal über die Spirale, das bleierne Verkrampfen den Kopf zerbricht. Da wären der erste und zweite Satz viel aussagekräftiger:

„Bist du etwa verrückt geworden?! Bist du jetzt endgül …“

Ich presse mir die Hand auf den Mund. Halte mir das Maul, mit beiden Händen.

„Du musst mich jetzt reden lassen. Geht es?“

Doppelt gemoppelt

Manchmal sind Wiederholungen wirkungsvoll. Oft werfen sie den Leser jedoch aus dem Text.

Ich starre sie an. Ihr Redeansinnen ist ihr wichtiger als die Sorge um mein Wohl. Rede.

„Ich werde jetzt gleich aufbrechen, Papa. Ich muss gehen, das ist notwendig – für alle.“ Sie steht auf. „Ich darf nicht aufgehalten werden. Alexander – er wollte mir in der Nacht zu nahe kommen, und das konnte ich nicht zulassen! Musste ihn … stoppen.“

Hier wiederholt sich einiges. „Ich darf nicht aufgehalten werden“, „das konnte ich nicht zulassen“, das wiederholt nur, was der Leser bereits weiß. Und „Redeansinnen“ klingt holprig. Besser „Redeverlangen“:

Ich starre sie an. Ihr Redeverlangen ist ihr wichtiger als die Sorge um mein Wohl. Rede.

„Ich werde jetzt gleich aufbrechen, Papa. Ich muss gehen, das ist notwendig – für alle.“ Sie steht auf. „Alexander – er wollte mir in der Nacht zu nahe kommen! Musste ihn … musste ihn stoppen.“

Holprige Sätze

Sie ist mein Ein und Alles, seit ihre Mutter nicht mehr bei uns ist. Sie ist nichts anderes als das Licht meines Lebens, und ich würde mich für sie in kleine Portionen zerhacken lassen – falls es einmal unumstößlich feststehen sollte, dass ganz genau davon ihre weiter andauernde Unversehrtheit und meine Seelenruhe abhingen.

„Unumstößlich feststehen“ passt nicht, das klingt eher nach Beamtendeutsch. Und „ihre weiter andauernde Unversehrtheit“, da sind Adjektiv und Partizip überflüssig:

Sie ist mein Ein und Alles, seit ihre Mutter nicht mehr bei uns ist. Sie ist nichts anderes als das Licht meines Lebens, und ich würde mich für sie in kleine Portionen zerhacken lassen – falls davon ihre Unversehrtheit und meine Seelenruhe abhingen.

Weitere Möglichkeiten

Der Bestsellerautor Andreas Eschbach hat einen Text-ÜV entworfen, der aufzählt, was man alles beim Überarbeiten lektorieren kann. Das sind keine Gesetze, aber gute Mittel, den eigenen Text zu überprüfen: http://www.andreaseschbach.de/schreiben/10punkte/10punkte.html

aus The Tempest 1/2 2019

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