Gärtner hassen Giersch. Der überwuchert alles. Und schön sieht er auch nicht aus. Den Giersch wird man im Garten kaum wieder los. Ihn auszureißen ist so wirkungsvoll, wie ihn zum Tee einzuladen. Er kümmert sich nicht darum. All die Pflanzen, die er brutal überwuchert, würden Auge und Seele vielmehr erfreuen.
Nicht anders ist es bei manchen beliebten Nebensatz-Konstruktionen. Sie vermehren sich, ohne dass es Autoren bewusst wird. Wenn ich die erste Als-Konstruktion in einem Text auf Seite eins lese, weiß ich, dass sie unterirdisch weiter wuchert und sehr bald neue Triebe austreiben wird.
Als der Wecker klingelte, wachte ich auf. Während ich aufstand, schlug ich die Decke zurück, da sie mich störte.
Da gibt es gleich drei literarische Gierschkonstruktionen. Einmal eingeführt, blühen sie überall auf. Und das ist das tödliche Gift: Eine Als-Konstruktion auf fünf Seiten würde niemandem auffallen. Aber fünf davon hintereinander, die einen Abschnitt einleiten, nerven auch die sanftmütigste Leserin. Wer will denn auch jede Menge Giersch im Garten haben? Oder ein Buch lesen, in dem jeder Abschnitt so beginnt: „Als ich dies tat, passierte jenes.“?
Als ich in die Dusche stieg, schaltete ich das Warmwasser ein.
Damit soll eine zeitliche Folge betont werden. Die Frage ist: Ist das nötig? In den allermeisten Fällen nicht.
Ich stieg in die Dusche und schaltete das Wasser ein.
Das ist einfacher und obendrein verständlicher. Dass beides zeitlich hintereinander folgt, kann sich der Leser denken. Und ich wette mit Ihnen, dass Sie bald danach wieder eine Konstruktion mit „als“ oder „während“ oder „da“ verwenden. Wer sich einmal angewöhnt hat, immer die zeitliche Reihenfolge oder Gleichzeitigkeit zu betonen, wiederholt das schnell wieder. Die Texte wimmeln dann von literarischem Giersch und überwuchern Ihre Texte, die dadurch bald gleichförmig wirken.
Während ich dies schreibe, denke ich daran, wie unschön es ist, immer ‚während‘ zu verwenden.
Einfacher: „Immer während zu verwenden, ist ziemlich unschön.“ Und macht eine Menge Arbeit, weil man alle diese literarischen Unkräuter bei der Überarbeitung mühsam ausrupfen muss.
Unkraut wächst vor allem auf überdüngtem Boden. Die Düngung erfolgt durch den Glauben der Autoren, dass sie alles erzählen müssten, und zwar in genauer zeitlicher Reihenfolge. Auch fortlaufende logische Begründungen mit „da“ wirken ähnlich.
Da der Wecker klingelt, wache ich auf. Während ich zur Dusche gehe, gähne ich. Als ich die Dusche betrete, drehe ich den Hahn auf. Während das Wasser aus der Dusche läuft, seife ich mir die Haare ein. Als ich die Haare eingeseift habe, spüle ich sie aus. Während ich mir die Haare trockne, plane ich meinen Tag. Als ich aus der Dusche trete, ist auch der gutwilligste Leser endgültig entschlafen. Während ich glaubte, ein Meisterwerk zu schreiben, habe ich meine Leserinnen verloren, da ich sie eingeschläfert habe.
Giersch ist allerorten – und furchtbar langweilig.
Schreiben Sie einfach, das ist eine der wichtigsten Regeln des Schreibens. Lassen Sie den Wecker klingeln, und wachen Sie auf. Damit der literarische Giersch gar nicht erst Wurzeln schlagen kann.
Das Problem an der Lösung (Stilanalyse) ist das ständiger Meckern bei jedem ›als‹, es gibt auch haufenweise ›als‹ ohne einen zeitlichen Bezug. Irgendwas ist härter, größer, runder als etwas anderes. Gibt sicher noch mehr und wenn man deinen Artikel nicht gelesen hat, ist die Erklärung von der Schreibsoftware nicht besonders einleuchtend. Ist aber ein Anfängerfehler und bei solchen Leseproben schaffe ich es oft nicht einmal bis zum ersten ›als‹. Da lege ich die Probe schon vorher aus der Hand.
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