Überarbeitung und Lektorat: Emotionen

Bereits auf den ersten Seiten eines Manuskripts fällt mir auf, ob es Emotionen weckt. Denn das entscheidet darüber, ob Leserinnen und Leser das Buch überhaupt lesen werden. Ob eine Geschichte spannend ist, hängt davon ab, ob sie Emotionen weckt. Geschichten, die die Leserinnen kalt lassen, werden nicht gekauft.

Und beim Lektorat merkt man bei solchen Texten: Da fehlt ein Gewürz: Emotion. Doch wie kann man nachwürzen?

Das Wichtigste bei den Emotionen: Der Leser muss Gefühle entwickeln, nicht der Autor.

Emotionen nicht behaupten, sondern zeigen

Und was weckt Gefühle? Menschen interessieren sich für andere Menschen. Wenn etwas Menschen passiert, die man gern hat, dann fiebert man mit.

„Manfred hatte Angst.“

Immer wieder lese ich solche Sätze in den Lektoratstexten. Da behauptet die Autorin ein Gefühl. Weckt das Gefühle beim Leser? Nein.

Warum nicht? Weil wir nicht wissen, was Manfred Angst macht. Weil der Autor das Gefühl behauptet, uns aber nicht zeigt.

Wie überarbeitet man Stellen im Manuskript, an denen Gefühle nur behauptet werden?

Lassen Sie etwas passieren. Verwandeln Sie die Autorenbehauptung in eine konkrete Szene, möglichst anschaulich.

„Die Tür flog auf. Ein maskierter Mann richtete seine Pistole auf Manfred.“

Jetzt kann jeder Leser nachvollziehen, dass Manfred Angst hat, Sie müssen es gar nicht mehr schreiben.

Eine Person wählen, nicht viele

„Der Heeresbericht meldet heute heftige, verlustreiche Kämpfe im Gebiet der südlichen Westfront.“

Das ist noch sehr allgemein. Natürlich wissen wir, dass da viele gefallen sind. Aber viel eindrücklicher ist es, das Schicksal eines einzigen Soldaten zu schildern. Erich Maria Remarque hat die Gräuel des ersten Weltkriegs in „Im Westen nichts Neues“ anhand eines Soldaten gezeigt. Und das ist sehr viel eindrücklicher, weckt viel mehr Gefühle als das Schicksal ganzer Armeen.

Tiere, Alien, Technik vermenschlichen

Und was ist mit Tieren, Alien, Natur, Technik? Verwandeln Sie sie in lebende Wesen. Zeigen Sie sie, als wären sie lebendig.

„Der Berg war im Winter gefährlich, das wusste Manfred.“

Das ist recht abstrakt. Besser wirkt es so:

„Der Berg grollte. Spuckte Schnee in die Luft.“

Allgemeines am Schluss

Dürfen Sie nie Gefühle benennen? Doch, manchmal kann das nützlich sein. Aber eine wichtige Faustregel dafür lautet:

Erst die konkrete Szene. Dann die allgemeine Zusammenfassung.

„Der Berg grollte. Spuckte Schnee in die Luft. Manfred bekam Angst.“

Hier wissen die Leserinnen, warum Manfred Angst bekam. Und ahnen, jetzt wird es gleich schlimm werden.

Natürlich kann man auch den letzten Satz noch anschaulicher formulieren:

„Der Berg grollte. Spuckte Schnee in die Luft. Manfred schauderte und beschleunigte seine Schritte.“

Damit bauen Sie das Gefühl in eine Handlung ein (er beschleunigte seine Schritte).

Also: Achten Sie bei der Überarbeitung auf Stellen, in denen Gefühle nur behauptet werden. Und überarbeiten Sie sie so, dass die Szenen den Leser die Gefühle erleben lassen.

Ich habe nichts dagegen, wenn Sie diesen Blog teilen, verlinken, weiter empfehlen. Wenn Sie anderer Meinung sind oder etwas zu diesem Beispiellektorat beitragen wollen, scheuen Sie sich nicht, es mir zu mailen oder in FB zu kommentieren! Sie können auch Ihre Texte für ein Beispiellektorat vorschlagen.

Klappentext, Pitch und anderes Getier
Wie Sie aus einem spannenden Buch einen spannenden Klappentext schneidern

Impressum  Datenschutz  Homepage Hans Peter Roentgen   Newsletter

Überarbeitung und Lektorat: Emotionen