Das Manuskript ist fertig. Doch wie soll das neue Baby heißen? Die Titelsuche hat schon manchen Autor zur Verzweiflung gebracht. Hier gibt es ein paar Tipps.
Brainstorming – das Hirn stürmen lassen
Brainstorming kommt, wie so vieles, aus den USA. Mit Brainstorming sollen neue Ideen gefunden werden.
Das Prinzip ist einfach: Erst mal alles akzeptieren, was einem einfällt, damit der innere Kritiker nicht gleich alles totschlägt mit dem Ruf: »Das geht gar nicht.«
In der ersten Phase ist also Kritik tabu. Der innere Kritiker darf ins Café gehen, jetzt hat er nichts zu tun, egal, ob Sie als Einzelner oder in einer Gruppe brainstormen. Die erste Phase dient dazu, möglichst viele Titel zu finden, egal wie gut oder schlecht sie sind. Und es gibt zahlreiche Möglichkeiten, auf Ideen zu kommen.
Lassen Sie sich ruhig Zeit. Rom wurde nicht an einem Tag erbaut und ein guter Titel braucht mehr als zehn Minuten Brainstorming. Schlafen Sie erst einmal über die Liste möglicher Titel, bevor Sie sie bewerten.
Erfolgreiche Titel
Ein Blick in die Bestsellerlisten und die Filmlisten lohnt immer. Welche Titel gibt es da? Was spricht Sie an? Natürlich können Sie nicht einfach Titel kopieren, das verbietet schon der Titelschutz, dazu später.
Aber Sie können Titel abwandeln. »Es war einmal in Amerika«, wie wäre es mit »Es war einmal in Buxtehude«? Nein, jetzt nicht sagen: »Was für ein Quatsch«. Wir finden Ideen, sind in den Hirnstürmen, das ist kein Klima für Kritiker.
»Die Säulen der Erde«, wie wäre es mit »Die Wolken in Hamburg«? Oder »Was Hamburg trägt«? Oder »Einstürzende Säulen der Welt«?
Spinnen Sie einfach alles aus, was Ihnen einfällt.
Werbesprüche
Auch Werbesprüche eignen sich als Vorbild. »Das weißeste Weiß meines Lebens«, wie wäre es mit »Das röteste Blut meines Lebens«? Oder aus »IPhone – fast zu schnell, um wahr zu sein« wird »Fast zu tot, um wahr zu sein«. Vielleicht auch »Zu verliebt, um wahr zu sein«? Noch einmal: Wir suchen Titel, bewerten werden wir sie später.
Gegensätze
Gegensätze eignen sich hervorragend als Titel. »Krieg und Frieden«, »Liebe und Hass«, »Der Mond ist unsere Sonne«, »Ein Lied von Eis und Feuer«. Auch damit kann man hervorragend spielen.
Sprichwörter und Redensarten
Auch Sprichwörter, die jeder kennt, bieten sich an. »Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr«. Wie wäre es mit »Was Hänschen nicht lernt …«? Oder » … lernt Hans nimmermehr«?
»Dame, König, As, Spion« verwendet die bekannten Spielkarten im Deutschen. Der englische Originaltitel verwendet einen englischen Spruch: »Tinker, Tailor, Soldier, Spy«. Beides spielt in der Geschichte eine zentrale Rolle.
Einprägsame Formulierungen
»Die Stunde des Jägers« gibt es in unendlich vielen Varianten. »Gute Mädchen kommen in den Himmel, böse überall hin«, »In Zeiten des abnehmenden Lichts« sind einprägsame Titel, die in Erinnerung bleiben.
Titel kombinieren
Man kann Titel auch kombinieren. »In Zeiten des kalten Feuers« oder »Böse Mädchen und gute Jäger«. Wie gesagt: Am Anfang werden die Titel nicht bewertet, da kommt es darauf an, möglichst viele zu finden.
Titel bewerten
Wenn Sie eine lange Liste möglicher Titel haben, gehts an die Bewertung. Und wonach bewertet man die Titel?
Emotionen und Assoziationen
Das Wichtigste sind die Emotionen, die ein Titel weckt. Nicht irgendwelche, sondern genau die, die zum Buch passen. Wichtig ist auch, welche Assoziationen der Titel weckt. Ein Titel, der die Assoziation eines Liebesromans weckt, ist für Science Fiction weniger geeignet.
Der Titel sollte die gleichen Emotionen ansprechen, die das Buch anspricht. »Leberknödelblues« ist gut für einen witzigen Text, der in Bayern spielt, aber nicht für einen Hardboiled-Krimi in Hamburg.
»Schuld und Sühne« weckt Emotionen, »Verbrechen und Strafe« wie es in der neueren Übersetzung heißt, nicht. Das englische »Crime and punishment« hat wiederum Emotionen. »Übertretung und Zurechtweisung«, eine andere Übersetzung, klingt ebenfalls blass im Deutschen.
Achten Sie auf die Emotionen und welcher Titel die beste Wirkung hat.
Wiedererkennung
Ihren Titel sollten die Interessenten natürlich sofort wiedererkennen und möglichst im Gedächtnis behalten. Deshalb eignen sich einprägsame Formulierungen so gut als Romantitel, selbst wenn sie länger sind. »Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand« bleibt trotz der Länge im Gedächtnis, weil er etwas Unerwartetes beschreibt. »Der Fünfzehnjährige, der aus dem Fenster stieg« bleibt längst nicht so gut haften. Und auch nicht alle die Nachdichtungen im Stile von »Der Lehrer, der in den Kastanienbaum stieg«. Wenn Sie einen Titel wählen, der sich an einen bekannten anlehnt, dann sollte er sich gleichzeitig unterscheiden und überraschen. »Vier Seiten für ein Halleluja« spielen auf Bud Spencer und Terence Hill an.
Orte
Orte, die im Roman vorkommen, sind ebenfalls gut, wenn sie Emotionen wecken. »Ein Haus in der Toskana«, »Entscheidung am Matterhorn« oder »Nebel vor Norderney«. Auch hier ist es wichtig, dass man darauf achtet, welche Emotionen ein Titel weckt. »Nebel vor Starnberg« hat sicher nicht die gleiche Wirkung wie »Nebel vor Norderney« und »Das Licht der Provence« hat eine andere Wirkung als »das Licht Grönlands«
Gegenstände
Gibt es einen Gegenstand in Ihrem Roman, der immer wieder eine Rolle spielt? »Die Säulen der Erde« war ein guter Titel, schließlich ging es um Kathedralenbau. »Das Parfüm« desgleichen, denn darum ging es in dem Buch.
Personen
Bekannte Personennamen aus Ihrer Geschichte, aber auch historische Namen eignen sich ebenfalls, z.B. »Napoleon ist an allem schuld«. Auch hier sollte man auf die Emotionen und Assoziationen achten. »Die Buddenbrooks« wecken die Vorstellung eines Familienromans in Norddeutschland. Man kann Namen auch mit Eigenschaften kombinieren: »Der talentierte Mr. Ripley«. Auch hier zählen die Nuancen. »Der kluge Mr. Ripley« wirkt nicht so gut.
Auch die Namen sollten ungewöhnlich sein. »Elisabeth Meier« eignet sich vermutlich nicht.
Sätze aus dem Manuskript
Gibt es besonders eindrückliche Sätze in Ihrem Text? Auch die können eine gute Vorlage für Titel bilden.
Klang und Poesie
Sprechen Sie einen Titel laut aus. Wie klingt er? Hat er Poesie, Rhythmus, Alliteration? »Nebel vor Norderney« ist eine Alliteration mit Vokalen, die den Rhythmus stützen. »Nebel vor Borkum« klingt nicht ganz so gut. Und »Nebel vor Wanne-Eickel« passt gar nicht. Dagegen könnte »Die Morde von Wanne-Eickel« wirken, weil der Ort die Assoziation »bieder« weckt. Ein Ort, in dem es bestenfalls Taschendiebstähle, aber keine interessanten Morde geben kann. Ich weiß, ein Vorurteil, aber auch damit muss man rechnen.
»Der Name der Rose«, »Der alte Mann und das Meer« sind poetische Titel, »Die Liebe in den Zeiten der Cholera« ebenfalls, da wirkt zusätzlich der Gegensatz »Liebe« und »Cholera«.
Genre
Natürlich muss der Titel zum Genre passen. Vergleichen Sie Ihren Titel mit anderen aus Ihrem Genre. Fragen Sie Leser Ihres Genres, ob Ihr Titel sie reizen würde, das Buch anzusehen.
Pitch
»Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg«, ist gleichzeitig der Pitch des Romans. Ein kurzer, knackiger Pitch kann einen wunderbaren Titel geben. »Ein Kampf um Rom« und »Games of Thrones« sind solche Titel. Für den Pitch siehe auch: https://hproentgen.wordpress.com/2018/02/09/sieben-pitchtypen-fuer-autoren/
Testen
Probieren geht über studieren. Bereits im Brainstorming lohnt es sich, mit anderen das Hirn auf Trab zu bringen. Und wenn Sie einen Titel haben, stellen Sie ihn einigen Testlesern vor. Was würden diese von einem Roman mit diesem Titel erwarten?
Der große Titel
Die besten Titel fallen einem ganz unerwartet ein. Titel, bei denen man sofort weiß: Das ist es! Sie fallen einem unter der Dusche ein, in der S-Bahn, beim Salat putzen. Schreiben Sie sie sofort auf, der Salat kann warten. Deshalb lohnt es sich, sich mit der Titelsuche Zeit zu lassen. Solche großen Titel sind ein Geschenk, man darf darauf hoffen, aber nicht immer klappt es.
»Harry Potter« hat auch für einen Bestseller gereicht. Und hat viele Briten angesprochen, denn es gibt die berühmte Kinderbuchautorin Miss Potter, die die Geschichten um »Peter Hase« geschrieben hat. Den Namen kennen die meisten Briten. Auch solche Assoziationen sind nützlich.
Titelschutz
Titel genießen Titelschutz, haben also ein Urheberrecht. Allerdings nur, wenn sie ein eigenes Schöpfungsniveau haben. »Liebe« dürfte kaum unter Titelschutz fallen. Wichtig ist, dass eine Verwechslungsgefahr ausgeschlossen ist. »Der Neunundneunzigjährige, der aus dem Fenster stieg« würde angefochten werden. Näheres finden Sie unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Titelschutz
Und jetzt lassen Sie Ihr Hirn frei, damit es möglichst viele einprägsame Titel brainstormen möge!
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