Klappentext-Lektorat

Klappentexte sollen den Käufer zum Kaufen verleiten. Oder wenigstens zum Lesen der ersten Seite.
Doch wie schaffen sie es? Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Einer davon ist der klassischen Aufbau.
Er besteht aus drei Teilen.

  1. Der Aufreißer oder der Pitch
    Der springt der Leserin, dem Leser direkt ins Gesicht. Er stellt sicher, dass der Leser das Buch nicht gleich wieder weglegt, sondern den Klappentext weiterliest und hat die gleiche Funktion wie ein Pitch. Deswegen steht hier oft der Pitch des Buchs. Ein Satz, maximal zwei, danach neuer Absatz.
    Nicht vergessen: Dieser Pitch mus Assoziationen wecken, also anschaulich sein, Bilder im Kopf wecken.
  2. Appetithappen
    Hat die Leserin angebissen, das Buch nicht weggelegt, kommen jetzt Appetithappen, die das Interesse weiter verstärken. Ein, zwei oder drei Absätze mit fesselnden Ereignissen aus dem Anfang des Buchs anreißen. Hier ist Show, don´t Tell wichtig, Assoziationen wecken und einen Film im Kopf ablaufen lassen.
  3. Zusammenfassung
    Am Schluss steht eine Zusammenfassung, die dem Leser noch einmal vermittelt, was ihn in dem Buch erwartet. Ein Satz, maximal zwei. Und da die Leserin bereits anschauliche Bilder im Kopf hat (oder haben sollte), ist hier die einzige Stelle, in der der Klappentext allgemein sein darf. Denn dieser Teil nutzt den vorangegangenen Text als Anker. Weil dort Bilder geweckt wurden, die dafür sorgen, dass der Leser sich unter der Zusammenfassung etwas vorstellen kann.
    Hier passt das Genre hinein, darf auch mal gelobt werden, ist ein Verweis auf vergleichbare Bücher gut.

Schauen wir uns ein Beispiel an:

Dahinwelken im Altersheim? Die ehemalige Krimiautorin Melli will das nicht!
Doch dann findet sie im Lainzer Tiergarten eine Leiche und ruft die Polizei. Vorbei ist es mit Dahinwelken, ihre kriminalistischen Instinkte erwachen.
Aber Chefinspektor Angermeier ist gar nicht begeistert, dass ihm nun eine 82jährige Hobbydetektivin ins Handwerk pfuscht.
Und dann passieren auch noch weitere Morde.
Ein vergnüglicher und spannender Wien-Krimi mit Witz und Wiener Schmäh und einer ungewöhnlichen Ermittlerin im Stil von Miss Marple.
(Alt, Böse, tot, Ingrid J. Poljak, 2023)

Anreißer ist der Konflikt: Eine ehemalige Krimiautorin sitzt im Alterheim und will dort nicht dahinwelken.

Appetithappen: Sie findet eine Leiche (muss also nicht weiter dahinwelken). Doch dem zuständigen Kriminalinspektor ist das gar nicht recht, dass ihm nun eine Hobbydetektivin ins Handwerk pfuscht. Ein beliebtes Motiv, dass bei Krimilesern sofort Bilder weckt. Hinzu kommt, was für dieses Buch besonders ist: Die Heldin ist 82.

Zusammenfassung. Hier wird das, was vorher steht, zusammengefasst:
Ein vergnüglicher und spannender Wienkrimi mit Witz und Wiener Schmäh.
Stünde diese Aussage am Anfang des Klappentextes, würde sie nicht wirken, weil es nach Werbespruch aussieht. Die Sätze davor haben aber bereits Bilder geweckt.
Und dann der Verweis auf Miss Marple.
Ist das nicht Größenwahn? Da vergleicht jemand sein Werk mit Miss Marple?
Der Trick ist, dass hier nicht gesagt wird, es sei genauso gut. Sondern nur, dass es einen ähnlichen Stil hat. Auch dafür finden sich in den Appetithappen einige Hinweise, das Alter der Heldin und dass sie Hobbydetektivin ist.
„Im Stil von …“ gibt dem Leser eine Orientierung, was ihn im Buch erwartet, ohne marktschreierisch zu wirken.

Verabstaltungen auf der Leipziger Buchmesse 2023 zum Klappentext:

Diskussion „Wege aus der Klappentexthölle“, Leipziger Buchmesse 2023 mit Sissi Steuerwald, H.P. Röntgen, Juri Pavlovic, Freitag 28.4., 11:30-12:00, Halle 5, A700
https://www.leipziger-buchmesse.de/pco/de/buchmesse/63e3a9ea8151e8100509bdb8

Workshop in der Leipziger Autor*innenrunde, Samstag 29.4.

Literatur
Klappentext, Pitch und anderes Getier, Hans Peter Roentgen 2018

Was dem Lektorat auffällt
was Sie immer schon mal über Lektorate wissen wollten, das Buch

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Klappentext-Lektorat

Überarbeiten und Lektorat: Dialog

Dialoge können fesseln, aber auch langweilig sein. Und die erste Version ist oft langweilig. In den Texten, die mir zugeschickt werden, finden sich oft lahme Dialoge.

Doch welche Möglichkeiten gibt es, sie in der Überarbeitung spannend zu gestalten?

Das Ping-Pong-Spiel

Sie kennen Ping-Pong, auch Tischtennis genannt? Der Ball fliegt zwischen den Spielern hin und her, und je besser die Spieler, desto schneller der Ballwechsel.

Langweiligen Dialogen fehlt das oft. Der Sprecher lässt den Ball auf die Platte fallen, schaut sich um, kann sich nicht entscheiden.

Wir haben ein Problem“, sagte der Chef, „wir haben November, die Nächte werden immer dunkler, bald haben wir Vollmond, da sehen wir gar nichts mehr, weil es neblig wird. Diese Gegebenheiten müssen wir unbedingt berücksichtigen bei unseren Planungen, das dürfen wir nicht vergessen oder aus den Augen verlieren, denn das könnte unangenehme Folgen haben.“

Der Wind kommt von Osten und kühlt jeden aus, der Schmiere steht, dann werden unsere Männer krank.“

Richtig, ich will keine Ausfälle wegen Erkältung haben, nicht jetzt am Jahresende, wo wir Hochsaison haben.

Klar, das müssen wir berücksichtigen.“

Fesselt Sie dieser Text? Mich nicht. Und warum? Weil es eine Aufzählung von Informationen ist, weil es keinen Konflikt gibt. Da unterhalten sich zwei, die die gleiche Meinung haben und bestärken sich in dieser Meinung. Und so entsteht keine Spannung.

Wie bringen Sie Konflikt in den Dialog?

Suchen Sie in dem Text Stellen, die unterschiedliche Menschen unterschiedlich bewerten können. Dann lassen Sie zwei aufeinander los.

Bei dem Ostwind friere ich mir den Sack ab beim Schmierestehen“, sagte der schöne Gottfried.

Dann frierst du dir eben den Sack ab“, sagte der Chef. „Verdammt noch mal, wir brauchen Erfolge!“

Erfolge, Erfolge! Wenn ich das schon höre! Sind wir hier bei Twitter und du Chef Musk?“

Lass den Quatsch! Bist du ein Weib, dass du dich vor ein bisschen Ostwind fürchtest?“

Du hast gut reden, du bist im warmen Büro und reichst uns die Sachen raus. Wir haben dann die Erkältung“.

Die Sätze fliegen zwischen den Kontrahenten hin und her. Halten Sie sich das Ping-Pong-Spiel immer vor Augen, wenn Sie einen Dialog überarbeiten. Sehen sie sich gute Dialogszenen im Film an, und lesen Sie solche. Am wirkungsvollsten sind Schmetterbälle, schnell hin und her, und beide Spieler wollen gewinnen. Auch im Dialog wollen die Sprecher gewinnen.
Nie den Konflikt vergessen!

Kurze Sätze, keine komplexe Grammatik

Wie reden Leute auf der Straße? Kurze Sätze, kaum Nebensätze, stattdessen Hauptsätze. In der Realität spricht kaum jemand wie Thomas Mann. Es sei denn, es handelt sich um einen Philosophieprofessor, der seine Zuhörer langweilt. Mit langsamen, hoch gespielten Bällen wird das Spiel nicht spannend.

Sehen Sie sich nochmal das erste Beispiel oben an. Klingt es nach mündlicher Rede? Wohlgemerkt, es muss nach mündlicher Rede klingen, aber nicht identisch sein. „Äh“ und viele andere Füllwörter prägen die Rede auf der Straße. Die können Sie streichen. Kurz sollten die Sätze sein.

Konflikt, kein Small Talk

    Small Talk ist im wahren Leben ungeheuer wichtig. Man versichert sich, dass man auf der gleichen Wellenlänge liegt, dass man sich schätzt, dass man höflich ist. Im Roman geht es jedoch nicht um Höflichkeit und auch nicht um politische Korrektheit.

    Guten Tag!“

    Hallo!“

    Wie geht es dir?“

    Gut. Und dir?“

    Auch gut. Weißt du schon, die Corona–Infektionszahlen sind schon wieder gestiegen.“

    Ja, habe ich gerade gelesen. Finde ich furchtbar. Und du?“

    Schrecklich.“

     Damit gewinnt man keine Leser und kein Tischtennis-Spiel. Was unterscheidet die Ziele, die Weltsicht der Sprecher? Das liefert Ihnen die Chance, gute Matchbälle zu schlagen. Auch hier: Lassen Sie zwei Menschen mit unterschiedlichen Meinungen den Dialog führen.

    Die Coronazahlen sind …“

    Du mit deinen Coronazahlen! Die sollten Corona einfach laufen lassen.“

    Und deine Oma soll dran sterben?“

    Die will Ihre Enkel sehen!“

    Und die stecken sie dann an!“
    „Die ist sowieso schon halb tot und überlebt das Jahr nicht!“

     Nicht gerade angenehme Zeitgenossen, die hier sprechen. Aber angenehme Zeitgenossen machen keinen spannenden Roman. Warum sonst werden die Krimis mit fiesen Mördern haufenweise gelesen?

    Jeder spricht anders

    Jeder hat eine Herkunft, eine andere Ausbildung, individuelle Ziele und Wünsche. Und jeder Sprecher hat dementsprechend eine unverwechselbare Sprache. Beim BKA analysiert man Erpresserbriefe und andere Texte, um sie anhand der Sprache zuzuordnen. Mittlerweile gibt es eigene Sprachprofiler dafür.

    Ein bedächtiger Mensch spricht anders als ein Draufgänger, ein Hauptschüler anders als ein Uni-Absolvent, ein Bayer anders als ein Uckermärker. Nutzen Sie das. Lassen Sie nicht alle in Ihrem Tonfall sprechen, dem Tonfall der Autorin. Verwandeln Sie sich in die Dialogpartner. Was sind das für Menschen? Wie würden sie reden? Schüchtern drum herumreden? Direkt und knapp? 

    Zwischen den Zeilen findet sich das Wesentliche

    Was für ein Mann ist Kapitän Renault?“, fragt die junge Bulgarin in Casablanca.

    Wie jeder Mann, nur etwas mehr“, antwortet Rick.

     Das, was wichtig ist, wird hier nicht mit Worten gesagt, sondern ergibt sich aus dem Kontext. Er ist ständig hinter Frauen her, steht zwischen den Zeilen. Ein Schürzenjäger. Aber davon findet sich kein Wort im Text. Vieles im Dialog wird nicht ausgesprochen. Und dadurch wirkt es viel eindrücklicher. „Kapitän Renault ist ein Schürzenjäger und denkt immer an Sex“, das wäre sehr viel weniger spannend.

    Du bist nicht Gott.“

    An irgend jemand muss man sich doch ein Beispiel nehmen.“

     Dieser Dialog aus einem Woody-Allen-Film sagt auch nicht direkt in Worten, was gemeint ist. Der eine wirft dem anderen vor, dass er sich für unfehlbar hält, und der andere kontert. Vergleichen Sie das einmal mit dem folgenden Dialog: 

    Du glaubst, du weißt alles besser. Mich nervt das immer, da kriege ich ein schlechtes Gefühl, wenn du mich ständig korrigierst.

    Da irrst du dich, ich will dich nicht korrigieren, ich weiß, dass man das im Gespräch nicht tun soll und beherzige diese Erkenntnis.“ 

    Was würden Ihre Dialogsprecher auf gar keinen Fall direkt sagen? Und wie würden sie es umschreiben?

    Sparsam mit Körpersprache

      Gerne werden im Dialog Aktionen der Sprecher beschrieben, um den Dialog zu unterstreichen, und um Dinge anzuzeigen, die nicht im Dialogtext stehen. Das kann sehr wirkungsvoll sein, aber Sie sollten es mit Vorsicht einsetzen. Viel hilft auch hier nicht viel, weniger ist oft mehr.

      Die Körpersprache sollte auch wirklich Bedeutung haben. Wenn sich der Sprecher zehnmal über die Glatze streicht, verpufft die Wirkung, und es bremst das Tempo.

      Das geht schief.“ Der Finanzcontroller kratzte sich an der Nase.

      Wir haben dafür keine Kapazitäten“, sagte der Personalleiter und strich sich über die Glatze.

      Das Programm funktioniert noch nicht einwandfrei.“ Der Entwicklungschef fuhr sich übers Haar.

      Wir führen es morgen auf der Messe vor“, bestimmte der Direktor und schaute ernst in die Runde.

      Gerade das In-die-Runde-Schauen ist sehr beliebt, sagt aber wenig aus. Wählen Sie eine aussagekräftigere Körpersprache. 

      Das geht schief.“ Der Finanzcontroller knackte mit den Knöcheln.

      Verdammt noch mal, wir haben dafür keine Kapazitäten!“, sagte der Personalleiter.

      Das Programm hat mehr Fehler als ein Straßenköter Flöhe“, sagte der Entwicklungsleiter.

      Der Direktor nahm seine Brille ab und faltete sie sorgfältig auf dem Tisch zusammen. „Wir führen es morgen auf der Messe vor“, bestimmte er. 

      Jetzt sind es nur noch zwei körpersprachliche Elemente, die dafür aber eindeutiger sind. Und ein Teil dessen, was im ersten Beispiel über Körpersprache ausgedrückt wird, steht jetzt im Dialogtext. Dass der Personalleiter und der Entwicklungschef gar nicht glücklich sind, ergibt sich aus dem, was sie sagen, da benötigt man keine Körpersprache. Und dass der Boss die Brille abnimmt und auf den Tisch legt, zeigt deutlich, dass das sein letztes Wort ist.

      „Sagte sie, sagte er“ – das reicht

      Im Dialog wird oft der Sprecher genannt (sagte der Vater, rief der Bulle), in der Fachsprache heißen diese Hinweise „Inquits“. Das sind formelhafte Elemente, um den Sprecher zu bezeichnen. Leserinnen nehmen sie als Formeln wahr, die festlegen, wer spricht. Deshalb müssen Sie sich nicht mühsam Synonyme suchen (flüsterte er, wisperte sie, antwortete er, grollte sie).

      Sie können auch in einem langen Dialog bei „sagte sie / er“ bleiben. Weil das Formeln sind, stört die Wiederholung hier nicht.

      Sparsam mit Inquits

      Sie müssen nicht jeden Dialogabschnitt mit einem Inquit abschließen. Wenn klar ist, wer spricht, können Sie „sagte sie“ weglassen und nur manchmal erwähnen, wer der Sprecher ist. Der Dialog wird dadurch schneller und knapper. Hier ein Beispieldialog zwischen Mutter und pubertierendem Sohn. 

      Du bleibst hier“, sagte seine Mutter.

      Du hast mir nichts zu befehlen.“

      Du willst dich nur zusaufen wie letzten Abend.“

      Ich treff mich mit Freunden! Wir machen Hausaufgaben.“

      Die garantiert viel Alkohol enthalten, möchte ich wetten.“ 

      Hier ist immer klar, wer spricht. Das wird auch dadurch sichergestellt, dass Mutter und Sohn ganz unterschiedliche Ziele und Motive haben, also eine Verwechslung gar nicht möglich ist.

      Dreifach gemoppelt ist zweimal zu viel

        Du Arschloch!“, schrie er wütend.

        In diesem kurzen Abschnitt wird dreimal dasselbe gesagt, nämlich, dass der Sprecher wütend ist. Vertrauen Sie Ihren Lesern, sie werden automatisch begreifen, dass der Sprecher auf 180 ist. Es reicht „Du Arschloch!“. Gerade bei emotional aufgeladenen Szenen wirkt ein knapper Dialog besser, da er Tempo hat und die angespannte Situation besser erleben lässt.

        Ein guter Dialog ist einer, in dem der Text bereits Stimmung und Emotion des Sprechers verrät. Aber wie immer gibt es Ausnahmen.

        Du Idiot“, sagte er lachend.

        Da kann man auf das Adjektiv nicht verzichten, weil „Idiot“ hier keine Beleidigung ist, sondern eine Frotzelei unter Freunden.

        Unvollständige Sätze

        Woran erkennt man, dass zwei Menschen streiten? Nicht nur an der Lautstärke, sondern auch daran, dass sie einander nicht ausreden lassen. Und dass die Sätze kürzer werden, je emotionaler der Streit wird. Nehmen wir mal eine Meinungsverschiedenheit zwischen einem Mafiaboss und seinem Killer. 

        Ich möchte keine Nonne erschießen, das geht gegen mein Gewissen“, sagte der Killer.

        Joe, das ist keine Nonne, das ist Susan aus dem Nachtclub“, erwiderte der Boss. „Also tu deine Pflicht und drück ab.“

        Ich werde in der Hölle landen deswegen und meine Mutter unglücklich machen.“

        Du hast so viele umgelegt, dann kannst du die jetzt auch töten.“

        Aber Boss, das ist eine Nonne, und meine Mutter wollte immer, dass ich Nonnen ehre und beschütze, das steht auch im Beichtbrevier, das ich habe.“

        Wenn du es beichtest, wird dir jede Schuld erlassen, so steht es im kanonischen Recht §47 über die Beichte und die Vergebung.“ 

        Ganz klar, niemand würde in so einer Situation so reden. Erinnern Sie sich an das Ping-Pong-Spiel? Heftige Szenen benötigen ein schnelles Spiel. Hier werden korrekte Sätze wie im Deutschunterricht gewechselt. Und damit wird die nicht die Nonne, sondern die Spannung umgebracht.

        Ich kann keine Nonne …“

        Das ist keine Nonne, das ist Susan.“

        Aber das Habit …“

        Drück endlich ab!“ 

        Ach ja, das ist auch so ein Dialog, in dem Sie gar keine Inquit-Formeln benötigen. 

        Dialekt im Dialog

        Dialekt kann einen Sprecher identifizieren. Ein Bayer spricht anders ein Berliner. Und heute haben viele Gebildete jeden Dialekt abgelegt, auch das ist ein Kennzeichen.

        Nur leider gibt es ein Problem: Wenn Sie jemand niederbayrisch reden lassen, werden sich alle Nicht-Bayern schwer tun, es zu verstehen. Sie müssen erst mal die Sprache übersetzen und können nicht der Geschichte folgen.

        Verwenden Sie also nur einzelne Wörter oder Satzwendungen im Dialog, die den Leser daran erinnern, das ist ein Bayer, das ein Berliner. Gerade bestimmte grammatikalische Konstruktionen sind typisch für Dialekte.

        Das geht nicht, weil das ist verboten.“ (Umgangssprache)

        Das ist dem Chef sein Steckenpferd.“ (Ruhrgebiets-Genitiv) 

        Gleiches gilt, wenn Sie Menschen sprechen lassen, die eine andere Muttersprache haben und nur gebrochen Deutsch reden. Auch da sollte man nicht übertreiben. Und notfalls jemanden um Rat fragen, der den Dialekt sprechen kann oder Muttersprachler der fremden ist. Denn es ist nicht so einfach, einen Deutschtürken reden zu lassen, wenn man selbst gar kein Türkisch kann und nicht weiß, welche typischen Formulierungen jemand aus diesem Sprachkreis benutzt.

        Und bitte, bitte, bleiben Sie dabei. Jemanden erst gebrochen Deutsch sprechen zu lassen, der dann in perfektem Hochdeutsch fortfährt, das fällt auf. Passiert übrigens immer wieder Erpressern, die ihre Briefe abfassen, als wären sie Türken, dann aber die Geldübergabe in perfektem Deutsch formulieren. Da freut sich der Sprachprofiler!

        Dialoge testen

        Lesen sie sich Ihre Texte laut vor. Sie werden erstaunt sein, wie viele Stolpersteine und unglückliche Formulierungen Sie dabei entdecken. Noch besser: Lassen Sie ihn sich von einem Freund vorlesen. Es gibt auch Programme, die Texte vorlesen. Da diese keine Betonungen verwenden, fallen unglücklich formulierte Stellen dabei besonders auf.

        Wenn Sie unsicher sind, testen Sie einfach mehrere Fassungen. Streichen Sie zum Beispiel auf einer Seite alle Inquits (sagte er, sagte sie), und legen Sie beide Seiten nebeneinander. Sie werden schnell sehen, welche Sie benötigen und welche nicht.

        Die Methode funktioniert für alle Tipps, die ich genannt habe. Einen Tipp umsetzen und den Text überarbeiten – und dann beide Fassungen nebeneinanderlegen. Das schärft Ihr Bewusstsein dafür, was nötig ist und was nicht.

        Wenn Sie noch nicht viel Erfahrung damit haben, Dialoge zu überarbeiten, dann ändern Sie nicht gleich alles, sondern nur eine Sache, damit deutlicher wird, wie diese Änderung wirkt. Und dann lesen Sie sich Ihren Text laut vor.

        Zusammenfassung

        Prüfen Sie Ihre Dialoge bei der Überarbeitung. Vor allem auf folgende Punkte:

        – Gibt es einen Konflikt?

        – sind die Dialogteile zu lang und eher Monologe?

        – dient der Dialog vornehmlich der Informationsvermittlung?

        – sind die Sätze zu korrekt?

        Und damit wünsche ich Ihnen viel Erfolg dabei, knackige, spannende Dialoge zu schreiben.

        Überarbeiten und Lektorat: Dialog

        Überarbeitung und Lektorat: Emotionen

        Bereits auf den ersten Seiten eines Manuskripts fällt mir auf, ob es Emotionen weckt. Denn das entscheidet darüber, ob Leserinnen und Leser das Buch überhaupt lesen werden. Ob eine Geschichte spannend ist, hängt davon ab, ob sie Emotionen weckt. Geschichten, die die Leserinnen kalt lassen, werden nicht gekauft.

        Und beim Lektorat merkt man bei solchen Texten: Da fehlt ein Gewürz: Emotion. Doch wie kann man nachwürzen?

        Das Wichtigste bei den Emotionen: Der Leser muss Gefühle entwickeln, nicht der Autor.

        Emotionen nicht behaupten, sondern zeigen

        Und was weckt Gefühle? Menschen interessieren sich für andere Menschen. Wenn etwas Menschen passiert, die man gern hat, dann fiebert man mit.

        „Manfred hatte Angst.“

        Immer wieder lese ich solche Sätze in den Lektoratstexten. Da behauptet die Autorin ein Gefühl. Weckt das Gefühle beim Leser? Nein.

        Warum nicht? Weil wir nicht wissen, was Manfred Angst macht. Weil der Autor das Gefühl behauptet, uns aber nicht zeigt.

        Wie überarbeitet man Stellen im Manuskript, an denen Gefühle nur behauptet werden?

        Lassen Sie etwas passieren. Verwandeln Sie die Autorenbehauptung in eine konkrete Szene, möglichst anschaulich.

        „Die Tür flog auf. Ein maskierter Mann richtete seine Pistole auf Manfred.“

        Jetzt kann jeder Leser nachvollziehen, dass Manfred Angst hat, Sie müssen es gar nicht mehr schreiben.

        Eine Person wählen, nicht viele

        „Der Heeresbericht meldet heute heftige, verlustreiche Kämpfe im Gebiet der südlichen Westfront.“

        Das ist noch sehr allgemein. Natürlich wissen wir, dass da viele gefallen sind. Aber viel eindrücklicher ist es, das Schicksal eines einzigen Soldaten zu schildern. Erich Maria Remarque hat die Gräuel des ersten Weltkriegs in „Im Westen nichts Neues“ anhand eines Soldaten gezeigt. Und das ist sehr viel eindrücklicher, weckt viel mehr Gefühle als das Schicksal ganzer Armeen.

        Tiere, Alien, Technik vermenschlichen

        Und was ist mit Tieren, Alien, Natur, Technik? Verwandeln Sie sie in lebende Wesen. Zeigen Sie sie, als wären sie lebendig.

        „Der Berg war im Winter gefährlich, das wusste Manfred.“

        Das ist recht abstrakt. Besser wirkt es so:

        „Der Berg grollte. Spuckte Schnee in die Luft.“

        Allgemeines am Schluss

        Dürfen Sie nie Gefühle benennen? Doch, manchmal kann das nützlich sein. Aber eine wichtige Faustregel dafür lautet:

        Erst die konkrete Szene. Dann die allgemeine Zusammenfassung.

        „Der Berg grollte. Spuckte Schnee in die Luft. Manfred bekam Angst.“

        Hier wissen die Leserinnen, warum Manfred Angst bekam. Und ahnen, jetzt wird es gleich schlimm werden.

        Natürlich kann man auch den letzten Satz noch anschaulicher formulieren:

        „Der Berg grollte. Spuckte Schnee in die Luft. Manfred schauderte und beschleunigte seine Schritte.“

        Damit bauen Sie das Gefühl in eine Handlung ein (er beschleunigte seine Schritte).

        Also: Achten Sie bei der Überarbeitung auf Stellen, in denen Gefühle nur behauptet werden. Und überarbeiten Sie sie so, dass die Szenen den Leser die Gefühle erleben lassen.

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        Klappentext, Pitch und anderes Getier
        Wie Sie aus einem spannenden Buch einen spannenden Klappentext schneidern

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        Überarbeitung und Lektorat: Emotionen

        Üerarbeitung und Lektorat: Der Giersch

        Gärtner hassen Giersch. Der überwuchert alles. Und schön sieht er auch nicht aus. Den Giersch wird man im Garten kaum wieder los. Ihn auszureißen ist so wirkungsvoll, wie ihn zum Tee einzuladen. Er kümmert sich nicht darum. All die Pflanzen, die er brutal überwuchert, würden Auge und Seele vielmehr erfreuen.

        Nicht anders ist es bei manchen beliebten Nebensatz-Konstruktionen. Sie vermehren sich, ohne dass es Autoren bewusst wird. Wenn ich die erste Als-Konstruktion in einem Text auf Seite eins lese, weiß ich, dass sie unterirdisch weiter wuchert und sehr bald neue Triebe austreiben wird.

        Als der Wecker klingelte, wachte ich auf. Während ich aufstand, schlug ich die Decke zurück, da sie mich störte.

        Da gibt es gleich drei literarische Gierschkonstruktionen. Einmal eingeführt, blühen sie überall auf. Und das ist das tödliche Gift: Eine Als-Konstruktion auf fünf Seiten würde niemandem auffallen. Aber fünf davon hintereinander, die einen Abschnitt einleiten, nerven auch die sanftmütigste Leserin. Wer will denn auch jede Menge Giersch im Garten haben? Oder ein Buch lesen, in dem jeder Abschnitt so beginnt: „Als ich dies tat, passierte jenes.“?

        Als ich in die Dusche stieg, schaltete ich das Warmwasser ein.

        Damit soll eine zeitliche Folge betont werden. Die Frage ist: Ist das nötig? In den allermeisten Fällen nicht.

        Ich stieg in die Dusche und schaltete das Wasser ein.

        Das ist einfacher und obendrein verständlicher. Dass beides zeitlich hintereinander folgt, kann sich der Leser denken. Und ich wette mit Ihnen, dass Sie bald danach wieder eine Konstruktion mit „als“ oder „während“ oder „da“ verwenden. Wer sich einmal angewöhnt hat, immer die zeitliche Reihenfolge oder Gleichzeitigkeit zu betonen, wiederholt das schnell wieder. Die Texte wimmeln dann von literarischem Giersch und überwuchern Ihre Texte, die dadurch bald gleichförmig wirken.

        Während ich dies schreibe, denke ich daran, wie unschön es ist, immer ‚während‘ zu verwenden.

        Einfacher: „Immer während zu verwenden, ist ziemlich unschön.“ Und macht eine Menge Arbeit, weil man alle diese literarischen Unkräuter bei der Überarbeitung mühsam ausrupfen muss.

        Unkraut wächst vor allem auf überdüngtem Boden. Die Düngung erfolgt durch den Glauben der Autoren, dass sie alles erzählen müssten, und zwar in genauer zeitlicher Reihenfolge. Auch fortlaufende logische Begründungen mit „da“ wirken ähnlich.

        Da der Wecker klingelt, wache ich auf. Während ich zur Dusche gehe, gähne ich. Als ich die Dusche betrete, drehe ich den Hahn auf. Während das Wasser aus der Dusche läuft, seife ich mir die Haare ein. Als ich die Haare eingeseift habe, spüle ich sie aus. Während ich mir die Haare trockne, plane ich meinen Tag. Als ich aus der Dusche trete, ist auch der gutwilligste Leser endgültig entschlafen. Während ich glaubte, ein Meisterwerk zu schreiben, habe ich meine Leserinnen verloren, da ich sie eingeschläfert habe.

        Giersch ist allerorten – und furchtbar langweilig.

        Schreiben Sie einfach, das ist eine der wichtigsten Regeln des Schreibens. Lassen Sie den Wecker klingeln, und wachen Sie auf. Damit der literarische Giersch gar nicht erst Wurzeln schlagen kann.

        Üerarbeitung und Lektorat: Der Giersch

        Überarbeitung und Lektorat: Vampir-Verben II

        Der Mensch sieht nicht nur, er kann riechen, schmecken, hören und tasten. All das können Autorinnen nutzen und Autoren auch. Vor allem die ungewöhnlichen Sinnesempfinden sind hilfreich, um im Leser einen Film ablaufen zu lassen. Wer nicht nur kleine, verfallene Häuser wahrnimmt, sondern auch den Geruch nach abgestandenem Urin, ein trauriges Lied aus einem Keller hört, den Verfall schmeckt, die rauen bröckelnden Ziegeln tastet, holt den Leser in die Geschichte.

        Vampire der Sinne.

        Nur leider gibt es auch hier Vampir-Verben. Die die eigentlichen Wahrnehmungen in den Nebensatz vertreiben, ihnen das Blut aussaugen und im Hauptsatz in den Vordergrund schieben, wer etwas wahrnimmt, ist nicht gut.

        Hauptsatz und Hauptsache

        007 sah, dass ein Auto auf ihn zuraste

        Hauptsatz und damit Hauptsache ist: Er sah etwas. Das ließe sich natürlich noch verschärfen: 007 sah mit seinen Augen, dass …
        In der Erstfassung fallen solche Formulierungen nicht auf. In der Überarbeitung und dem Lektorat können Sie den Hauptsatz streichen und die wesentlich Aussagen in Vordergrund schieben:

        Ein Auto raste auf 007 zu

        Distanz und Perspektive

        Schreiben Sie, was passiert, statt wer es wahrnimmt, Dann ist der Leser direkt in der Szene, minimale Distanz. Die Perspektive ist die von 007.

        007 sah, dass ein Auto auf ihn zuraste, da haben wir große Distanz, der Hauptsatz, dass er etwas sah, hat sich zwischen das Ereignis und den Leser geschoben. Auch die Perspektive hat sich verändert. Jetzt erzählt uns der Autor, was passiert: 007 sah etwas. Niemand denkt:

        Ich sehe, dass ein Auto auf mich zurast.

        Das gilt für alle Sinne.

        007 roch, dass es im Gang nach alter Pisse stank.

        Hier wird zur Hauptsache, dass 007 etwas roch. Was verrät uns der Nebensatz, der deshalb den konkreten Geruch zur Nebensache macht.

        Im Gang stank es nach alter Pisse.

        Auch für´s Hören, Schmecke, Fühlen gilt dies. Wenn Sie die Sinne direkt benennen, schaffen Sie Distanz. Und erklären als Autor den Leserinnen, dass da etwas wahrgenommen wird. Statt ihnen zu zeigen, was da wahrgenommen wird.

        007 hörte, dass Gesang aus dem Keller. → Im Keller sang eine Frau.

        007 fühlte, dass die Ziegel unter seinen Händen bröckelten. → Die Ziegel unter seinen Händen bröckelten.

        Und wann Wahrnehmung benennen?

        Natürlich sind sehen, riechen, hören, keine sinnlosen Wörter. Wenn die Wahrnehmung die Hauptsache ist, dann ist es sinnvoll, sie auch zu benennen.

        007 sah NICHT, dass ein Auto heranraste. Oder: 007 sah nicht das heranrasende Auto.

        Hier können Sie „sehen“ nicht streichen.

        Plötzlich hörte er Gesang aus dem Keller. Auch können Sie das „hören“ nicht streichen, weil es die Hauptsache ist.

        Die Dosis macht das Gift

        Gefährlich sind die Vampir-Verben der Wahrnehmung, weil sie sich schnell vermehren. Wer immer betont, dass jemand etwas sieht, hat schnell eine ganze Menge von Sätzen der Art. „Sie sah, dass …“

        Sie sah, dass die Tulpen im Garten blühten. Sie roch, dass der Flieder duftete. Sie fühlte die milde Luft, die über ihre Wangen strich. Sie hörte die Amseln singen.

        Damit schaffen Sie nicht nur Distanz, sondern auch Langeweile mit Sätzen, die alle mit „Sie + wahrnehmen“ anfangen.

        Die Tulpen blühten im Garten, der Flieder duftete, milde Luft strich über ihre Wangen und die Amseln sangen.

        Natürlich ließe sich das auch noch etwas anschaulicher erzählen, aber besser als sie hörte, er sah, sie roch, er fühlte, sie schmeckte ist es allemal.

        Weniger ist mehr

        Generell sollten Sie sich bei der Überarbeitung überlegen, was wirklich nötig ist , um die Leser in die Geschichte zu ziehen. Und was schafft Distanz, weil es überflüssig ist und den Leserinnen erzählt, was sie sowieso wissen. Eine Geschichte lebt davon, dass der Autor nicht alles vorkaut. Das wäre ein ausgefülltes Kreuzworträtsel und interessiert niemanden. Lassen Sie den Lesern Raum, den sie füllen können.

        Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn man nichts mehr hinzufügen, sondern wenn man nichts mehr weglassen kann. (Antoine de Saint-Exupery, Verfasser von „Der kleine Prinz“)

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