Lektorat: Ki und Goethe

Der Pakt

Wieder habe ich den Anfang eines Romans erhalten. Und wieder will ich Ihnen zeigen, wie Sie beim Überarbeiten einen Text verbessern können.
Wie immer gilt: Ich freue mich über Romananfänge, die Sie mir zuschicken. Mit etwas Glück lektoriere ich sie, und Sie können meine Vorschläge in Ihre Projekte übernehmen.

Die flackernden Flammen tanzten im verlassenen Tempel der alten Magier, während der dunstige Rauch die düstere Atmosphäre verstärkte. Inmitten dieser Schatten stand ein Mann von beeindruckender Gestalt, dessen Augen wie glühende Kohlen im Halbdunkel des Raumes funkelten. Sein Name war Malachar, ein mächtiger Magier, dessen Durst nach Wissen und Macht niemals gestillt werden konnte.
Malachar starrte in die flackernden Flammen und sprach leise die uralten Worte eines verbotenen Zaubers aus. Er war bereit, einen Pakt mit der Dunkelheit selbst zu schließen, um seine Ziele zu erreichen. Seine Seele brannte vor Verlangen nach dem unergründlichen Wissen der Welt, nach der unermesslichen Macht, die ihm die Herrschaft über die Sterblichen gewähren würde.
Die Stimme des Dunklen, ein kaum hörbares Flüstern in seinem Geist, antwortete ihm und bot ihm den Handel an, nach dem er sich so sehr sehnte. „Ich werde dir alles Wissen gewähren, das du begehrst“, raunte die Stimme, „doch der Preis wird hoch sein, Malachar. Sehr hoch.“
Ein zufriedenes Lächeln spielte um Malachars Lippen, als er sich der Konsequenzen bewusst wurde, doch sein Herz pochte vor Aufregung. „Ich bin bereit“, erklärte er entschlossen. „Meine Seele gehört dir, wenn du mir das gewährst, wonach ich verlange.“
Der Pakt war besiegelt, und Malachar spürte, wie die Macht der Dunkelheit in ihn eindrang, sein Wesen durchdrang und ihn mit einer unvorstellbaren Energie erfüllte. Doch damit nicht genug. Eine weitere Forderung erhob sich in seinem Geist, eine dunkle Begierde, die ihn beinahe erdrückte.
„Ich verlange mehr“, flüsterte Malachar, seine Stimme von Gier durchdrungen. „Ich will, dass kein junges Mädchen meiner Magie widerstehen kann, dass sie sich mir hingibt, sobald sie meinem Blick begegnet.“
Die Dunkelheit lachte, ein unheilvolles, grollendes Lachen, das die kalte Luft des Tempels erfüllte. „So sei es“, antwortete sie, und Malachar spürte, wie ein finsterer Zauber in seine Seele eingriff, sie verdrehte und veränderte, um seine bösartigen Wünsche zu erfüllen.
Mit einem triumphierenden Grinsen verließ Malachar den Tempel, sein Herz erfüllt von einer unstillbaren Machtgier und einem dunklen Verlangen, das ihm nun zur Verfügung stand. Doch sollte er bald erkennen, dass die Macht, die er so leichtfertig erworben hatte, ihn auf einen Pfad der Zerstörung und des Verderbens führen würde.

Diesmal stammt der Text von einem besonderen Autor, nämlich ChatGPT. Mal sehen, wie KI Romananfänge schreibt. Ich hatte ChatGpt folgende Anfrage gestellt:

Könntest du mir die ersten vier Seiten eines Fantasy-Romans schreiben? Mit einem Magier, der seine Seele der Hölle verschreiben will, wenn diese ihm alles Wissen der Welt zur Verfügung stellt und ihn befähigt, dass kein junges Mädchen ihm widerstehen kann?

Und ChatGpt hat mir bereitwillig den obigen Text geschickt. Würden Sie ihn weiterlesen?

Übung

Schreiben Sie auf, wie dieser Text auf Sie wirkt. Was würden Sie überarbeiten?

Faust in Chatgpt

Vielen dürfte aufgefallen sein, dass meine Anfrage den Konflikt von Goethes Faust enthält. Was hat Goethe besser gemacht, was Chatgpt?

Goethes Faust beginnt mit einem langen Prolog, wie er zeittypisch üblich war und wie er heute Leserinnen und Leser abschreckt. ChatGpt springt direkt in die Szene. Spät in die Szene, früh raus. Gut!
Konflikt, Konflikt, Konflikt
Faust will den Erdgeist beschwören, er glaubt, er sei ihm ebenbürtig. Das ist der erste Konflikt, denn die Beschwörung gelingt zwar, doch der Erdgeist hat kein Interesse an Faust.

Dann taucht ein seltsamer Pudel auf. Faust hat zwar einen Zauberspuch, um böse Pudel zu zwingen, ihre wahre Gestalt zu zeigen. Aber er weiß nicht, dass man einen Pakt mit dem Bösen schließen kann. Und dass Mephisto wegen dem Druidenfuß die Studierstube nicht verlassen kann, wiegt Faust im Glauben, dass der Teufel in seiner Hand sei. Mephisto beweist ihm, dass es so einfach nicht ist, den Teufel festzuhalten.

Und Chatgpt? Da weiß der Magier gleich den richtigen Spruch, um den Dunklen zu beschwören, weiß, dass er ihm seine Seele verschreiben kann, um absolute Macht und Wissen zu erhalten und außerdem die feuchten Träume des Magiers zu befriedigen. Obendrein sind sie sich sofort handelseinig, auch die weitere Forderung des Magiers, dass alle junge Frauen ihm auf Befehl verfallen sollen, wird von dem Dunklen akzeptiert. Wunderbar, jetzt wissen wir alles und müssen den Rest des Romans nicht lesen.

Wo bleibt der Konflikt in der Szene? Denn ohne Konflikt keine Spannung und ohne Spannung keine Leser, die weiterlesen.

Leider passiert Ähnliches auch vielen Schreib-Neulingen, deren Texte ich erhalte. Sie wollen dem Leser gleich alles verraten. Doch schon Goethe wusste, dass das keine gute Idee ist. Spannung erzeugt man nicht durch Infos, nicht dadurch, dass alles klappt, sondern durch Konflikt.

Tipp

Nutzen Sie die Konfliktmöglichkeiten, die Ihre Szene bietet. Fragen Sie sich: Was kann schiefgehen, nicht so klappen, wie geplant? Das gilt gerade für den Anfang eines Romans. Da sollte der Leser zwar orientiert sein, wo er sich befindet, aber er muss den Beginn eines Konflikts spüren. Ein Film muss starten.

Adjektive garantieren keine Spannung

Inmitten dieser Schatten stand ein Mann von beeindruckender Gestalt, dessen Augen wie glühende Kohlen im Halbdunkel des Raumes funkelten. Sein Name war Malachar, ein mächtiger Magier, dessen Durst nach Wissen und Macht niemals gestillt werden konnte.

Beeindruckende Gestalt, glühende Kohlen, mächtiger Magier, weckt das bei Ihnen Spannung?
Bei mir nicht. Das sind Behauptungen des Autors, in dem Fall der ChatGpt, die glaubt, damit Spannung zu erzeugen. So etwas behauptet die Autorenstimme. Auch das finde ich oft in den Texten von Nachwuchsautorinnen.

Zeigen, nicht behaupten. Versuchen wir es einmal

Malachar musste sich bücken, der Tempel war niedrig. Nur der Eingang gab dem Raum etwas Licht. Hier würde er den Dunklen treffen. Hier könnte er sein Werk vollenden

Kleine Anmerkung am Rande: Wenn Sie einen mächtigen Magier haben, warum sollte er sich dem Dunklen verschreiben? Viel wirkungsvoller ist einer, der sich vergeblich um Macht bemüht hat.

Perspektive

In welcher Perspektive hat CHatGpt hier geschrieben?
Die meisten meiner Leserinnen werden vermutlich „auktoriale“ oder „allwissende“ Perspektive wählen. Denn der Text schaut von außen auf den Magier und den Dunklen. Das ist sicher richtig. Und auch nicht richtig.
Auch in der auktorialen Perspektive können Sie ganz dicht an die Personen und deren Wünsche herangehen.

Jetzt würde Moria nicht mehr über ihn lachen. Sondern ihm ausgeliefert sein. Nackt auf Knien vor ihm würde sie darum flehen, dass er ihr beiwohnen würde. Malachar stöhnte auf, als er den dunklen Raum verließ. Dass der Dunkle hinter ihm ein leises Lachen ertönen ließ, das vernahm er nicht mehr.

Es ist ein Aberglaube, dass Sie in der allwissenden Perspektive nur aus der Entfernung erzählen können.
Welche Perspektive ist es dann?

Ganz einfach: Die Autorenperspektive. Die Autorin – hier Chatgpt – erzählt uns etwas über ihre Geschichte. Statt die Geschichte zu erzählen. Ein häufiges Problem bei Neuautoren. „Behaupten, nicht zeigen“, nennt sich das.

Distanz

Und damit kommen wir zur Distanz, aus der erzählt wird. Wie beim Film kann ein Autor unterschiedliche Einstellungen für die Distanz in seiner Erzählung wählen. Die Totale, die Nahaufnahme, den Tunnelblick.

Die Distanz ist ein wichtiges Mittel, um Spannung zu erzeugen. Beobachten Sie in Filmen, wie dort mit der Distanz, der Kameraperspektive, gespielt wird. Anfänglich Totale, wir sehen das gesamte Ambiente. Dann öffnet sich in der Mauer eine Tür, Nahaufnahme. Und dann wird es gefährlich, jetzt kommt der Tunnelblick. Das ist auch in Geschichten die klassische Form, um Spannung zu erzeugen.
Klischee
Jeder möchte Klischees vermeiden. Und doch fällt jede und jeder darauf herein. Das liegt daran, wie unser Hirn funktioniert. Es nimmt einfach das Nächstliegende, das, was wir erwarten. Wenn Sie Klischees vermeiden wollen, dann gibt es einen Trick: Nehmen Sie nicht das, was ihnen als Erstes einfällt.
Vielleicht keine beeindruckende Gestalt eines mächtigen Magiers?
Sondern eine Person, die wie ein Finanzbeamter aussieht? Ein Magielehrling? Ihrer Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Und damit vermeiden Sie gleich die gängigen Klischees, die vergessen, dass unsere Gesellschaft immer diverser wird. Nicht der Paketbote kommt aus Indien. Sondern der Rechtsanwalt. Es gibt mittlerweile eine Gemeinschaft indischer Juristen in Deutschland. Sie müssen dann nicht mehr verzweifelt überlegen, was Sie nicht schreiben sollen. Sondern schreiben, was es alles an neuen Möglichkeiten gibt, wenn Sie sich nicht an Klischees klammern.

Dialoge

Wenn Ihre Personen blass sind, das weiß jede erfahrene Autorin, wird der Dialog sich nach 08/15 anhören. Und das gilt auch für obiges Beispiel.
Kann KI es nicht besser?
Oh doch, KI kann es viel, viel besser. Allerdings nur, wenn sie bessere Vorgaben erhält. Wenn Sie ihr genauer erklären, was Sie haben möchten, dann liefert sie Ihnen das. Sprich: Um spannende Texte mit KI zu schreiben, müssen Sie wissen, wie Spannung geht. Von alleine wird keine KI einen Harry Potter schreiben. Ohne Menschen, die ihr Handwerk verstehen, geht es nicht.

Resumé

Auch Computer sind bloß Menschen. Und es gibt einige typische Anfängerfehler, das ist beim Schreiben nicht anders als beim Reiten oder Klavierspielen. Achten Sie auf diese Probleme in Ihren Texten, und verbessern sie sie. Deshalb sind die Überarbeitung und das Lektorat so wichtig.

Schicken Sie mir vier Seiten Ihres Textes (hpr@textkraft.de) und mit etwas Glück bespreche ich ihn hier im nächsten Blog

Impressum   Datenschutz   Homepage Hans Peter Roentgen Newsletter

Lektorat: Ki und Goethe

Hinterlasse einen Kommentar