VG Wort, Selfpublisher und Pseudoverlage

Eigentlich ist es klar. Es gibt Verlage, die Lektorat, Covergestaltung und Satz für ihre Autoren übernehmen. Und es gibt Selfpublisher, Selbstverleger, die ihre Bücher selbst verlegen und Dienstleister bezahlen.

Jetzt hat die Bundesregierung einen neuen Gesetzesentwurf vorgelegt, in dem die Beteiligung der Verlage an den Ausschüttungen der VG Wort geregelt wird. Und hat mit einem Trick alle Selfpublisher zu Verlagsautoren ernannt.

Nach dem geplanten Gesetz entsprechend der EU-Urheberrechtsnovelle sollen diese Dienstleister mit in die Verwertungsgesellschaft VG Wort übernommen werden.

Die VG Wort treibt die Kopierabgabe bei Firmen ein. Hersteller von Kopiergeräten und viele andere Firmen zahlen für die Möglichkeit der Vervielfältigung an die VG Wort. Diese Zahlungen verteilt sie an Autoren und bald wieder an Verlage . Man kann darüber streiten, ob das sinnvoll ist, aber immerhin haben diese echten Verlage Anteil an der Gestaltung und dem Inhalt der Bücher.

Der neue Gesetzentwurf sieht das ganz anders. Er ist ein klarer Kotau vor Dienstleistern wie BoD und Druckkostenverlagen, denen damit der Zugriff auf Beteiligungen der VG Wort gewährt wird. Amazon und andere Dienstleister an Ausschüttungen der VG Wort beteiligen?

Nach dem Entwurf dürfen die Verlage und Urheber vorab vereinbaren, dass die Autorin oder der Autor einen Teil seiner VG Wort Ausschüttung an den Verlag abtritt. Soweit gut. Wenn der Autor dieser Abtretung zustimmt, ist doch alles in Butter, könnte man meinen.

Das Problem ist, dass diese Abtretung in den Standardverträgen steht. Bei großen Verlagen und erst recht bei Dienstleistern und Druckkostenzuschussverlagen haben Urheber keine Chance, dieser Abtretung zu widersprechen. Das erinnert an jene Zeiten vor über fünfzig Jahren, als Autofirmen den Kunden einen Aufschlag auf den serienmäßigen Preis für die Heizung berechneten. Autos ohne Heizung gab es nicht mehr, doch es war eine Gelegenheit, einen niedrigeren Preis in der Werbung zu nennen, auf den dann der Aufpreis für die serienmäßige Heizung aufgeschlagen wurde.

Die VG Wort kann nicht jeden Buchvertrag nachkontrollieren, ob dort der Abtretung zugestimmt wurde. Sprich: Sie wird diese Abtretung in der Regel als gegeben voraussetzen und zahlen.

Still und heimlich haben Dienstleister beschlossen, dass sie Verlage seien und ebenfalls Geld von der VG Wort einnehmen können. Sie treten in der Werbung als Dienstleister auf und schreiben in ihre AGB, dass die Autoren einen Teil der Zahlungen der VG Wort an die Dienstleister abtreten sollen. Wird natürlich nicht an die große Glocke gehängt, sondern steht im Kleingedruckten, eben den AGB, die jeder Kunde dieser Dienstleister unterschreiben muss. Das heißt, dass die Autorinnen und Autoren nicht nur für Ihre Veröffentlichung zahlen dürfen, sondern zusätzlich auch die ihnen zustehende Ausschüttung der VG Wort teilen sollen. Denn gegenüber der VG Wort treten die Dienstleister plötzlich als Verlage auf.

Erhebliche Verschlechterungen für Selfpublisher durch das neue Gesetz

Bisher galt für alle Selfpublisher, dass sie bei der VG Wort anklicken konnten, ob sie die Dienstleister an der VG Wort Ausschüttung beteiligen wollten. Das galt für alle Bücher seit 2012. Da spielten die Verträge, die Abtretungen forderten, keine Rolle.

Das neue Gesetz räumt mit dieser Möglichkeit auf. Es stellt Selfpublisher deutlich schlechter als bisher und ergreift Partei für die Dienstleister. Denn da alle Dienstleister (außer Amazon) die Abtretung in ihren Verträgen fordern, bleibt den Selfpublishern gar keine andere Wahl. Die Autoren stehen mal wieder, wie üblich, im Regen. Sie sind das letzte, das unwichtigste Glied im Markt. Warum auf sie Rücksicht nehmen?

Legal, illegal, scheißegal

Nach den Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches ist es schlicht illegal, solche Abtretungen in den Vertrag zu schreiben. Denn das BGB hat Grenzen gesetzt, was eine Firma in Standardverträge schreiben darf. Und hat auch bestimmt, wann es sich um AGB handelt:

»Die AGB müssen einseitig von dem Verwender gestellt werden. Diese Voraussetzung liegt vor, wenn eine Vertragspartei die Einbeziehung der vorformulierten Bedingungen in den Vertrag verlangt (Palandt/Heinrichs § 305 Rz.10) und sie nicht im Rahmen der Vertragsverhandlungen individuell ausgehandelt werden, § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB. Dann nämlich finden die Regelungen des BGB zu AGB keine Anwendung. Aushandeln bedeutet, dass der Kunde zumindest die tatsächliche Möglichkeit hat, auf die gestellten Vertragsbedingungen Einfluss zu nehmen.« https://www.akademie.de/wissen/it-vertraege-recht/grundzuege-des-agb-rechts

Die Verträge der Dienstleister sind eindeutig AGB. Übrigens auch die Verträge vieler großer Publikumsverlage.

In die AGB darf man keine überraschenden Klauseln einsetzen oder gar Dinge schreiben, die dem anderen Vertragspartner zusätzlich Kosten aufbürden. Und genau das ist die Abtretung eines Teils der VG Wort Zahlung.

»Eine Klausel kann eingeschränkt gültig oder unwirksam sein, weil

[…]

die AGB-Bestimmung überraschend ist«

§ 305c BGB schützt den Kunden vor überraschenden Klauseln. AGB-Regelungen, die nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages so ungewöhnlich sind, dass ein Kunde nicht mit ihnen rechnen muss, sind unwirksam.« https://www.akademie.de/wissen/it-vertraege-recht/grundzuege-des-agb-rechts

Doch das kümmert viele Dienstleister nicht, auch nicht, dass sie damit die Selfpublisher, also die Selbstverleger, klammheimlich in Verlagsautoren verwandeln.

Begründet wird das damit, dass die Dienstleister ihren Kunden eine ISBN geben. Eine höchst merkwürdige Begründung, ISBN kann jeder kaufen und an seine Kunden weitergeben. Doch das Verlagsrecht gibt ihnen recht, ein Gesetz aus dem Jahr 1901. Das legt fest, dass jede Firma, die Bücher per Vertrag mit den Urhebern vertreibt, ein Verlag ist. 1901 gab es weder Selfpublisher noch Dienstleister fürs Selfpublishing.

Noch schlimmer: Auch Druckkostenzuschussverlage, die den Autoren bereits vier- und fünfstellige Summen für eine Veröffentlichung abverlangen, dürfen nun noch zusätzlich an den Zahlungen der VG Wort partizipieren – so will es der Entwurf der Bundesregierung.

Das neue Wahrnehmungsgesetz

Aufgrund des neuen Wahrnehmungsgesetzes der EU muss die Verlagsbeteiligung bei der VG Wort neu bestimmt werden. Nach dem Entwurf werden Verlage wieder an den Ausschüttungen beteiligt.

Wodurch unterscheiden sich »echte« Verlage von Dienstleistern? Ganz einfach. Sie verlangen keine Zahlungen von den Autoren, sondern bieten Ihnen kostenloses Lektorat, kostenlose Covergestaltung und Satz. Und dementsprechend könnte man es so im Gesetz festhalten.

Eine Formulierung wie »Ausschüttungen von Verwertungsgesellschaften können nur Firmen erhalten, die von Autoren keine Zuzahlungen verlangen und insbesondere keine Zahlungen für Lektorat, Cover und Satz berechnen. Und nur diese dürfen Mitglieder einer Verwertungsgesellschaft werden«.

Das Problem ist, dass die VG Wort nicht einfach Mitglieder entlassen kann und jeden Verlag aufnehmen muss. Deshalb muss ein Gesetz festlegen, wer überhaupt berechtigt ist, Ausschüttungen zu erhalten. Nur Verlage, die kein Geld für die Veröffentlichungen von den Autoren verlangen. Denn die Begründung für die Verlagsbeteiligung ist, dass die echten Verlage mit kostenlosem Lektorat, Covergestaltung und Satz an der Bucherstellung beteiligt sind. Für Dienstleister trifft genau das nicht zu.

Eine gesetzliche Regelung ist also nicht nur möglich, sondern auch unbedingt notwendig.

Was, wenn dieser Entwurf Gesetz wird?

Die VG Wort hat bereits 2012-2016 einen kostspielen Rechtsstreit hinter sich gebracht. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass der nächste Prozess so sicher ist wie Schnee auf dem Mount Everest. Zahlungen an Dienstleister, an Pseudoverlage, die erkennbar keinerlei Rechtfertigungen dafür haben, da leckt sich jeder Rechtsanwalt die Finger und der Selfpublisherverband könnte damit sein Image aufpolieren und den Selfpublishern beweisen, wie wichtig die Mitgliedschaft ist.

Außerdem könnte jeder Selfpublisher einen Musterprozess gegen einen Dienstleister mit solchen Vertragsbedingungen führen oder ein Selfpublisherverband einen Musterprozess gegen die unzulässigen Paragraphen in deren Verträgen anstrengen, die mit Sicherheit gewonnen werden. Und es gibt bereits Urteile, dass Druckkostenzuschussverlage nicht als herkömmliche Verlage zu betrachten sind.

Sprich: Wird das Gesetz so verabschiedet, dann wird das zu Prozessen führen, die alle Beteiligten viel Kraft und Geld kosten werden, die Atmosphäre auf dem Buchmarkt vergiften und nur Rechtsanwälte freuen dürfte.

Verdi und der Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller hat bereits gegen diesen Gesetzesentwurf protestiert. Er soll die Stellung der Urheber verbessern, aber lässt die Urheber selbst, die Autorinnen und Autoren, im Regen stehen.

Wenn Sie diesen Text für wichtig halten, teilen Sie ihn bitte. Nur dann, wenn er weit verbreitet wird, besteht die Chance, noch auf das Gesetz Einfluss zu nehmen.

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VG Wort, Selfpublisher und Pseudoverlage

7 Gedanken zu “VG Wort, Selfpublisher und Pseudoverlage

  1. Cordula Natusch schreibt:

    Lieber Hans Peter,
    vielen Dank für diesen wichtigen Text. Bei BoD steht schon jetzt eine Abtretungsklausel der VG-Wort-Beiträge in den Verträgen drin. Das ist für mich ein wichtiger Grund, BoD meinen Kunden nicht mehr zu empfehlen. Die Gesetze werden von Menschen gemacht, die offensichtlich keine Ahnung vom Buchmarkt und von den Umtrieben der Anbieter dort haben. Auf die Prozesse bin ich gespannt – und hoffe, dass sie kommen werden.
    Den Beitrag werde ich gern teilen, um auf das Problem hinzuweisen.
    Beste Grüße
    Cordula

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    1. Liebe Cordula,
      nicht nur bei BoD steht das drin, auch bei vielen anderen Dienstleistern. Und ja, ich bin immer wieder überrascht, wie wenig Ahnung selbst erfahrene Buchmarktexperten vom Selfpublishing haben.
      Liebe Grüße, Hans Peter

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  2. Was wenn es Gesetz wird?
    Sehr geehrter Herr Roentgen,
    Danke für Ihre interessanten Hinweise zur Notwendigkeit der Klärung des Begriffs „Verleger“. Sicherlich ist auch die Lösung der mit der Zustimmung zusammenhängenden Fragen problematisch. „Blacklisting“ ist wohl eher wahrscheinlich.
    Was sagen Sie denn zur Quotelung (siehe hierzu N.P.Flechsig in JurPc.de – webdoc 13/2019 u.ö.) und deren Höhe in § 27 VGG-DiskE? Wie bewerten Sie als Autor und als nur ein Urheber unter vielen Ihr Werk im Verhältnis zum Verleger im Lichte der digitalen Realität, der Digitalität?
    Mit freundlichen Grüßen
    NPFlechsig

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  3. Lieber Hans-Peter,
    Vielen Dank für deinen Beitrag. Ja, die Dienstleister, die ISBN „gratis“ ihren Dienstnehmern/Autoren zur Verfügung stellen, treten nach außen als Verlag auf. Da braucht man nur in dem VLB nachzuschauen. Es ist sogar so, dass man als Self-Publisher mit selbst gekaufter ISBN von solchen Dienstleistern nicht angenommen wird, wenn man darauf besteht, die eigene ISBN zu behalten. So erging es mir mit der Firma NovaMD.
    Die Verwertungsrechte liegen bei demjenigen, der die ISBN gekauft hat. So einfach ist das!
    da bleibt den wirklich unabhängigen Selfpublishern nur der Schritt zum eigenen Verlag, wie ich es gemacht habe. Mein wichtigster Dienstleister (neben der Grafikerin für Cover, Satz und Layout) ist die Vertriebsorganisation, die meine Bücher vertreibt und nicht als Verlag auftritt.
    Bei der VG Word habe ich mich weder als Autor noch als Verlag bislang registriert.
    Liebe Grüße und nochmals danke!

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    1. Ja, der war unter Zeitdruck und meine übliche Lektorin konnte ihn erst jetzt lesen. Und die hat natürlich auch gemeckert :-).
      Werd ich jetzt beheben. Aber bis zum 31.1. müssen die Kommentare zum Entwurf beim Justizministerium sein.

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