12 Dinge über Dialoge, die Autoren wissen sollten

Dialoge können fesseln, aber auch langweilig sein. Hier finden Sie 12 Tipps, wie Sie spannende Dialoge schreiben können.

Ein Dialog ist ein Ping-Pong Spiel

Sie kennen Ping-Pong, auch Tischtennis genannt? Der Ball fliegt zwischen den Spielern hin und her, und je besser die Spieler, desto schneller der Ballwechsel.

So funktioniert auch ein guter Dialog. Die Sätze fliegen zwischen den Kontrahenten hin und her. Unnötige Erklärungen, langatmiges Formulieren führen dazu, dass der Dialog im Aus landet, sprich: Er wird nicht mehr gelesen.

Halten Sie sich das Ping-Pong-Spiel immer vor Augen, wenn Sie einen Dialog schreiben oder korrigieren. Sehen sie sich gute Dialogszenen im Film an, und lesen Sie solche.

Kurze Sätze, keine komplexe Grammatik

Es gibt Langweiler, die endlos reden. Aber wen interessiert das, was sie sagen? Spannende Dialoge haben kurze Sätze, kaum Nebensätze, meist nur Hauptsätze. Auch in der Realität spricht kaum jemand wie Thomas Mann. Es sei denn, es handelt sich um einen Philosophieprofessor, der seine Zuhörer langweilt.

Besser sind die Schmetterbälle, schnell hin und her, und beide Spieler wollen gewinnen. Auch im Dialog wollen die Sprecher gewinnen. Mit langsamen, hoch geschlagenen Bällen geht das nicht.

Konflikt, kein Small Talk

Small Talk ist im wahren Leben ungeheuer wichtig. Man versichert sich, dass man auf der gleichen Wellenlänge liegt, dass man sich schätzt, dass man höflich ist. Im Roman geht es jedoch nicht um Höflichkeit und auch nicht um politische Korrektheit.

 „Guten Tag!“

Hallo!“

Wie geht es dir?“

Gut. Und dir?“

Auch gut. Weißt du schon, die CoronaInfektionszahlen sind schon wieder gestiegen.“
„Ja, habe ich gerade gelesen. Finde ich furchtbar. Und du?“

Schrecklich.“

 Damit gewinnt man keine Leser und kein Ping-Pong-Spiel. Was unterscheidet die Ziele, die Weltsicht der Sprecher? Das liefert Ihnen die Chance, gute Matchbälle zu schlagen.

 „Die Coronazahlen sind …“

Du mit deinen Coronazahlen! Die sollten Corona einfach laufen lassen.“
„Und deine Oma soll dran sterben?“

Die ist sowieso schon halb tot und überlebt das Jahr nicht!“

 Nicht gerade angenehme Zeitgenossen, die hier sprechen. Aber angenehme Zeitgenossen machen keinen spannenden Roman. Warum sonst werden die Krimis mit fiesen Mördern haufenweise gelesen?

Jeder spricht anders

Jeder hat eine Herkunft, eine andere Ausbildung, individuelle Ziele und Wünsche. Und jeder Sprecher hat dementsprechend eine unverwechselbare Sprache. Beim BKA analysiert man Erpresserbriefe und andere Texte, um sie anhand der Sprache zuzuordnen. Mittlerweile gibt es eigene Sprachprofiler dafür.

Ein bedächtiger Mensch spricht anders als ein Draufgänger, ein Hauptschüler anders als ein Uni-Absolvent, ein Bayer anders als ein Uckermärker. Nutzen Sie das. Lassen Sie nicht alle in Ihrem Tonfall sprechen, dem Tonfall der Autorin. Verwandeln Sie sich in die Dialogpartner. Was sind das für Menschen? Wie würden sie reden? Schüchtern drum herumreden? Direkt und knapp? 

Zwischen den Zeilen findet sich das Wesentliche

Was für ein Mann ist Kapitän Renault?“, fragt die junge Bulgarin in Casablanca.

Wie jeder Mann, nur etwas mehr“, antwortet Rick.

 Das, was wichtig ist, wird hier nicht mit Worten gesagt, sondern ergibt sich aus dem Kontext. Er ist ständig hinter Frauen her, steht zwischen den Zeilen. Ein Schürzenjäger. Aber davon findet sich kein Wort im Text. Vieles im Dialog wird nicht ausgesprochen. Und dadurch wirkt es viel eindrücklicher. „Kapitän Renault ist ein Schürzenjäger und denkt immer an Sex“, das wäre sehr viel weniger spannend.

Du bist nicht Gott.“

An irgend jemand muss man sich doch ein Beispiel nehmen.“

 Dieser Dialog aus einem Woody-Allen-Film sagt auch nicht direkt in Worten, was gemeint ist. Der eine wirft dem anderen vor, dass er sich für unfehlbar hält, und der andere kontert. Vergleichen Sie das einmal mit dem folgenden Dialog: 

Du glaubst, du weißt alles besser. Mich nervt das immer, da kriege ich ein schlechtes Gefühl, wenn du mich ständig korrigierst.“

Da irrst du dich, ich will dich nicht korrigieren, ich weiß, dass man das im Gespräch nicht tun soll und beherzige diese Erkenntnis.“ 

Was würden Ihre Dialogsprecher auf gar keinen Fall direkt sagen? Und wie würden sie es umschreiben?

Sparsam mit Körpersprache

Gerne werden im Dialog Aktionen der Sprecher beschrieben, um den Dialog zu unterstreichen, und um Dinge anzuzeigen, die nicht im Dialogtext stehen. Das kann sehr wirkungsvoll sein, aber Sie sollten es mit Vorsicht einsetzen. Viel hilft auch hier nicht viel, weniger ist oft mehr.

Die Körpersprache sollte auch wirklich Bedeutung haben. Wenn sich der Sprecher zehnmal über die Glatze streicht, verpufft die Wirkung, und es bremst das Tempo.

Das geht schief.“ Der Finanzcontroller kratzte sich an der Nase.
„Wir haben dafür keine Kapazitäten“, sagte der Personalleiter und strich sich über die Glatze.
„Das Programm funktioniert noch nicht einwandfrei.“ Der Entwicklungschef fuhr sich übers Haar.

Wir führen es morgen auf der Messe vor“, bestimmte der Direktor und schaute ernst in die Runde.

Gerade das In-die-Runde-Schauen ist sehr beliebt, sagt aber wenig aus. Wählen Sie eine aussagekräftigere Körpersprache. 

Das geht schief.“ Der Finanzcontroller knackte mit den Knöcheln.
„Verdammt noch mal, wir haben dafür keine Kapazitäten!“, sagte der Personalleiter.
„Das Programm hat mehr Fehler als ein Straßenköter Flöhe“, sagte der Entwicklungsleiter.

Der Direktor nahm seine Brille ab und faltete sie sorgfältig auf dem Tisch zusammen. „Wir führen es morgen auf der Messe vor“, bestimmte er. 

Jetzt sind es nur noch zwei körpersprachliche Elemente, die dafür aber eindeutiger sind. Und ein Teil dessen, was im ersten Beispiel über Körpersprache ausgedrückt wird, steht jetzt im Dialogtext. Dass der Personalleiter und der Entwicklungschef gar nicht glücklich sind, ergibt sich aus dem, was sie sagen, da benötigt man keine Körpersprache. Und dass der Boss die Brille abnimmt und auf den Tisch legt, zeigt deutlich, dass das sein letztes Wort ist.

Sagte sie, sagte er“ – das reicht

Im Dialog wird oft der Sprecher genannt (sagte der Vater, rief der Bulle), in der Fachsprache heißen diese Hinweise „Inquits“.  Das sind formelhafte Elemente, um den Sprecher zu bezeichnen. Leserinnen nehmen sie als Formeln wahr, die festlegen, wer spricht. Deshalb müssen Sie sich nicht mühsam Synonyme suchen (flüsterte er, wisperte sie, antwortete er, grollte sie).

Sie können auch in einem langen Dialog bei „sagte sie / er“ bleiben. Weil das Formeln sind, stört die Wiederholung hier nicht.

Sparsam mit Inquits

Sie müssen nicht jeden Dialogabschnitt mit einem Inquit abschließen. Wenn klar ist, wer spricht, könnten Sie „sagte sie“ weglassen und nur manchmal erwähnen, wer der Sprecher ist. Der Dialog wird dadurch schneller und knapper. Hier ein Beispieldialog zwischen Mutter und pubertierendem Sohn. 

Du bleibst hier“, sagte seine Mutter.

Du hast mir nichts zu befehlen.“

Du willst dich nur zusaufen wie letzten Abend.“

Ich treff mich mit Freunden! Wir machen Hausaufgaben.“

Die garantiert viel Alkohol enthalten, möchte ich wetten.“ 

Hier ist immer klar, wer spricht. Das wird auch dadurch sichergestellt, dass Mutter und Sohn ganz unterschiedliche Ziele und Motive haben, also eine Verwechslung gar nicht möglich ist (siehe Punkt 4 oben).

Dreifach gemoppelt ist zweimal zu viel

Du Arschloch!“, schrie er wütend.

In diesem kurzen Abschnitt wird dreimal dasselbe gesagt, nämlich, dass der Sprecher wütend ist. Vertrauen Sie Ihren Lesern, sie werden automatisch begreifen, dass der Sprecher auf 180 ist. Es reicht „Du Arschloch!“. Gerade bei emotional aufgeladenen Szenen wirkt ein knapper Dialog besser, da er Tempo hat und die angespannte Situation besser erleben lässt.

Ein guter Dialog ist einer, in dem der Text bereits Stimmung und Emotion des Sprechers verrät. Aber wie immer gibt es Ausnahmen.

„Du Idiot“, sagte er lachend.

Da kann man auf das Adjektiv nicht verzichten, weil „Idiot“ hier keine Beleidigung ist, sondern eine Frotzelei unter Freunden.

Unvollständige Sätze

Woran erkennt man, dass zwei Menschen streiten? Nicht nur an der Lautstärke, sondern auch daran, dass sie einander nicht ausreden lassen. Und dass die Sätze kürzer werden, je emotionaler der Streit wird. Nehmen wir mal eine Meinungsverschiedenheit zwischen einem Mafiaboss und seinem Killer. 

Ich möchte keine Nonne erschießen, das geht gegen mein Gewissen“, sagte der Killer.

Joe, das ist keine Nonne, das ist Susan aus dem Nachtclub“, erwiderte der Boss. „Also tu deine Pflicht und drück ab.“

Ich werde in der Hölle landen deswegen und meine Mutter unglücklich machen.“
„Du hast so viele umgelegt, dann kannst du die jetzt auch töten.“

Aber Boss, das ist eine Nonne, und meine Mutter wollte immer, dass ich Nonnen ehre und beschütze, das steht auch im Beichtbrevier, das ich habe.“

Wenn du es beichtest, wird dir jede Schuld erlassen, so steht es im kanonischen Recht §47 über die Beichte und die Vergebung.“ 

Ganz klar, niemand würde in so einer Situation so reden. Erinnern Sie sich an das Ping-Pong-Spiel? Heftige Szenen benötigen ein schnelles Spiel. 

Ich kann keine Nonne …“

Das ist keine Nonne, das ist Susan.“

Aber das Habit …“

Drück endlich ab!“ 

Ach ja, das ist auch so ein Dialog, in dem Sie gar keine Inquit-Formeln benötigen. 

Dialekt im Dialog

Dialekt kann einen Sprecher identifizieren. Ein Bayer spricht anders ein Berliner. Und heute haben viele Gebildete jeden Dialekt abgelegt, auch das ist ein Kennzeichen.

Nur leider gibt es ein Problem: Wenn Sie jemanden richtiges Niederbayrisch reden lassen, werden sich alle Nicht-Bayern schwer tun, es zu verstehen. Sie müssen erst mal die Sprache übersetzen und können nicht der Geschichte folgen.

Verwenden Sie also nur einzelne Wörter oder Satzwendungen im Dialog, die den Leser daran erinnern: Das ist der Bayer, das der Berliner. Gerade grammatikalische Konstruktionen sind typisch für Dialekte.  

Das geht nicht, weil das ist verboten.“ (Umgangssprache)
„Das ist dem Chef sein Steckenpferd.“ (Ruhrgebiets-Genitiv)
 

Gleiches gilt, wenn Sie Menschen sprechen lassen, die eine andere Muttersprache haben und nur gebrochen Deutsch reden. Auch da sollte man nicht übertreiben. Und notfalls jemanden um Rat fragen, der den Dialekt sprechen kann oder Muttersprachler der fremden ist. Denn es ist nicht so einfach, einen Deutschtürken reden zu lassen, wenn man selbst gar kein Türkisch kann und nicht weiß, welche typischen Formulierungen jemand aus diesem Sprachkreis benutzt.

Und bitte, bitte, bleiben Sie dabei. Jemanden erst gebrochen Deutsch sprechen zu lassen, der dann in perfektem Hochdeutsch fortfährt, das fällt auf. Passiert übrigens immer wieder Erpressern, die ihre Briefe abfassen, als wären sie Türken, dann aber die Geldübergabe in perfektem Deutsch formulieren. Da freut sich der Sprachprofiler!

Dialoge testen

Lesen sie sich Ihre Texte laut vor. Sie werden erstaunt sein, wie viele Stolpersteine und unglückliche Formulierungen Sie dabei entdecken. Noch besser: Lassen Sie ihn sich von einem Freund vorlesen. Es gibt auch Sprechprogramme, die Texte vorlesen. Da diese keine Betonungen verwenden, fallen unglücklich formulierte Stellen dabei besonders auf.

Wenn Sie unsicher sind, testen Sie einfach mehrere Fassungen. Streichen Sie zum Beispiel auf einer Seite alle Inquits (sagte er, sagte sie), und legen Sie beide Seiten nebeneinander. Sie werden schnell sehen, welche Sie benötigen und welche nicht.

Die Methode funktioniert für alle Tipps, die ich genannt habe. Einen Tipp umsetzen und den Text überarbeiten – und dann beide Fassungen nebeneinanderlegen. Das schärft Ihr Bewusstsein dafür, was nötig ist und was nicht.

Wenn Sie noch nicht viel Erfahrung damit haben, Dialoge zu überarbeiten, dann ändern Sie nicht gleich alles, sondern nur eine Sache, damit deutlicher wird, wie diese Änderung wirkt. Und dann lesen Sie sich Ihren Text laut vor.

Und gerade habe ich ein faszinierendes Beispiel für Dialoge gesehen. Jane Austens „Stolz und Vorurteil“ verfilmt von der BBC. Das Werk ist über 200 Jahre alt, aber Austen zeigt, wie man auch aus nichtssagenden Dialogen der besseren Gesellschaft Spannung herausholen kann, in dem man das, was nicht gesagt wird, hinter den Worten hervorscheinen lässt.

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