Kein Geld fürs Lektorat? 10 Lösungen

Immer wieder klagen Selfpublisher: »Ich habe kein Geld fürs Lektorat, will aber eine Geschichte veröffentlichen. Was tun?«

Natürlich gibt es die Standardantwort: Eine verkäufliche Geschichte ist eine gut lektorierte Geschichte. Ein Text voller Rechtschreibfehler, Stilblüten und ohne Spannung erntet böse Rezensionen. Nicht falsch, aber greift etwas zu kurz.

Für den Bolzplatz braucht man keinen Trainer, für die Bundesliga schon.

Will sagen: Erfolgreiche Selfpublisher (und erfolgreiche Verlagsautoren) haben Lektoren, so wie Bundesligaspieler Trainer haben. Sie trainieren jeden Tag, verdienen Geld, aber stehen unter Druck und müssen liefern.

Wer auf dem Bolzplatz spielt, braucht keinen Trainer. Spielen macht Spaß, schreiben auch und wenn jemand zuschaut oder den Text liest, gut. Niemand erwartet von dem Bolzplatz die Qualität der Bundesliga. Niemand zahlt dafür die Preise der Profiligen. Sicher, auch in Bundesligaspielen gibt es Fehlpässe, so wie es in Verlagsbüchern Druckfehler gibt. Nur eben sehr viel weniger.

Wer weiterkommen will, muss trainieren

Das gilt für den Bolzplatz wie für das Schreiben. Von nichts kommt nichts und der Weg zum Bestsellerautor ist steinig, egal, ob er über den Verlag führt oder über das Selfpubishing. Training ist im Anfang fast wichtiger als Lektorat. Obwohl ein gutes Lektorat immer auch Training ist.

»Man braucht viele Jahre, um über Nacht berühmt zu werden«, sagte die Bestsellerautorin Nina George. Alle erfolgreichen Autorinnen (und auch die Autoren), die ich kenne – und mittlerweile kenne ich viele – haben einen langen Weg hinter sich. Auch J.K. Rowlings hat nicht eines Tages beschlossen: »Ich werde Schriftstellerin« und am nächsten Tag hatte sie mit Harry Potter Erfolg.

Jeder lange Weg beginnt mit einem kleinen Schritt

Eigentlich banal, wird aber immer wieder angezweifelt. Autoren beschweren sich, dass niemand ihre selbstverlegten Werke liest, fragen: »Was für geheime Marketingstricks gibt es, die mein Werk vom Flop zum Bestseller katapultieren?«.

Schaue ich mir die entsprechenden Bücher an, reicht oft schon der Blick auf das Cover und die erste Seite, um zu antworten: »Du stellst die falsche Frage. Trainiere erst mal deine Schreibmuskeln, dein Gespür für Text und Spannung, und, ach ja, deine Pässe sollten auch öfter im Ziel statt haarscharf daneben liegen. Dein Text hat nicht (noch nicht!) das Zeug zum Bestseller«.

Workshops sind das kleine Lektorat

Ich bin ein Fan der Workshops. Schaut euch die Angebote der Bundesakademie an, dort könnt ihr unter Anleitung erfahrener Autorinnen und Lektoren eure ersten Seiten besprechen und eure Plots und Exposés. Gibt auch viele Angebote anderer Institutionen, hier eine Liste:

https://hproentgen.wordpress.com/2016/10/27/workshops-und-seminare-fuer-autoren/

Die Kosten sind übersichtlicher als ein Komplettlektorat und man lernt eine Menge aus den Fehlern anderer. Mit etwas Glück findet man Gleichgesinnte, die ebenfalls vom Bolzplatz weg wollen und in den professionellen Buchmarkt streben. Warum keine Arbeitsgruppe mit ihnen bilden?

Man muss nicht gleich ein ganzes Schwein kaufen, wenn ein Schnitzel reicht.

Ein gewerbsmäßiger Koch investiert, weiß, dass er entsprechen Ausrüstung braucht und große Mengen kaufen muss. Wer noch am Anfang steht, kommt erst mal mit dem Backofen aus.

Man kann die ersten Seiten einem Lektor geben. Oder das Exposé, die Beschreibung des Plots. Gute Lektorinnen und Lektoren erkennen, wo der Autor steht. Was gut ist und wo nachgebessert werden sollte. Probleme auf den ersten Seiten setzen sich in aller Regel im ganzen Text fort. Der Autor erhält eine Rückmeldung, wo er überarbeiten sollte und die Kosten halten sich in Grenzen.

Computer helfen

Mittlerweile gibt es eine Menge Computerprogramme, die Autorinnen und Autoren helfen. Papyrus zum Beispiel erkennt mit seinem Duden Korrektor erstaunlich viele Rechtschreibfehler. Es kann Wiederholungen markieren, Füllwörter, die Lesbarkeit analysieren, bietet Personendatenbanken, damit der Held nicht mit blauen Augen einschläft und mit braunen aufwacht. Übersichten darüber, wer wann wo auftaucht und manches mehr hilft auf den ersten Schritten vom Bolzplatz zum Profi.

Auch eine Menge anderer Programme sind hilfreich.

Was man nicht unterschätzen sollte: den Lerneffekt. Die Aufmerksamkeit für Füllwörter wird geschärft, man lernt, dass Nebensätze, die mit Komma beginnen, auch mit Komma abgeschlossen werden sollten und vieles mehr. Welche Füllwörter lieben sie? Das Programm nennt sie Ihnen und im Laufe der Zeit werden Sie immer weniger unnütze Füllwörter benutzen, werden erkennen, dass Wortwiederholungen oft ein Zeichen dafür sind, dass Sie das Gleiche nochmal geschrieben haben und es streichen können.

Gute Testleser sind Gold wert

Suchen Sie sich Testleser. Tun Sie sich mit anderen Autoren zusammen. Den Splitter im Auge des Anderen sieht man leichter als den Balken im Eigenen.

Erfolgreiche Autoren wissen das. Nobody is perfect, aber im Team kommt man der Perfektion näher.

Wann braucht man was?

Ein Facebook-Post erfordert kein Lektorat. Ein Liebesroman weniger Stillektorat als ein hochliterarisches Werk. Wer seine Lebensgeschichte für seine Enkel aufschreibt, muss keine perfekt sitzende Dramaturgie haben.

Aber alles muss passen. Wer denkt, dass Korrektorat oder Stil-Lektorat auf dem professionellen Markt reichen, der irrt.

Immer wieder höre ich: Die Leser merken es doch nicht, ist doch egal, auch Verlagsbücher sind schlecht. Sicher, auch Verlagsbücher sind schlecht. Vor allem die Verlagsflops.

Schauen Sie sich erfolgreiche Bücher von Selfpublishern und Verlagen an. Auch die haben Dreckfuhler. Allerdings einen auf fünf Seiten, nicht fünf im ersten Absatz. Sie mögen nicht literarischen Ansprüchen genügen, das Feuilleton ist entsetzt über den Schund. Doch wenn Sie sich die Bücher genau ansehen, werden sie feststellen: Das, was in dem Genre wichtig ist, stimmt.

Die fünfzig grauen Schatten werden mit herabgezogenem Mundwinkel erwähnt, da sieht man ja …

Ich habe die ersten Seiten gelesen. Und gesehen, dass sie zwar nicht nobelpreisverdächtig sind, aber weitaus besser als das Gros der Selfpublisherbücher (und vieler Verlagsbücher). In dem Buch »der Bestsellercode« wird der Plot analysiert und gezeigt, warum er funktioniert. Lesen Sie das. Andere Bücher herabzuwürdigen ist eine Lieblingsbeschäftigung erfolgloser Autoren. Es erleichtert so. Ich muss mich nicht anstrengen, X ist ja auch schlecht.

Der schöne Schein genügt nicht

Würden Sie ein Auto kaufen, das aussieht wie eine Rostlaube? Vermutlich nicht. Das ist oft das Argument, dass Rechtschreibung und Stil das Wichtigste sei.

Würden Sie ein Auto kaufen, dessen Motor nur stotternd anspringt, das empört aufstöhnt, wenn Sie es über 30 Km/h beschleunigen wollen, dessen Räder keinen Achter, sondern einen Sechzehner haben und dessen Scheibenwischer dunkle Schlieren auf die Scheiben wischen? Dessen Lack aber wunderbar glänzt?

Eher nicht. Alles muss passen.

Nicht anders bei Büchern. Wenn die Dramaturgie nicht stimmt, nützt die beste Rechtschreibung nichts, wenn der Stil rumpelt und klackert und jedes Stilgefühl vermissen lässt, dann ist eine fehlerlose Grammatik auch für die Katz.

Wenn Sie soweit sind, dass die Bundesliga winkt, dann brauchen Sie das Lektorat, wie Profifußballer einen Trainer brauchen. Und nicht nur für Stil und Rechtschreibung. Bis es soweit ist, gibt es viele andere Möglichkeiten. Doch denken Sie daran: So gut wie alle Bestsellerautoren haben Lektorinnen oder Lektoren. Sie haben ihre Gründe.

Ein zweiwöchiger Skiurlaub ist heute auch nicht billig. Von den Kosten eines Autos will ich gar nicht nochmal reden.

So, jetzt gehen Sie an die Arbeit. Geben Sie Ihr Bestes. Sie können es schaffen. Aber Sie müssen es wollen.

Herzliche Grüße und viel Erfolg wünscht

Hans Peter Roentgen

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